Rz. 276

Gesetzliche Erben der ersten Linie sind gem. § 731 Abs. 1 ABGB die Abkömmlinge des Erblassers. Zur zweiten Linie gehören die Eltern, § 735 ABGB. Ist ein Elternteil vorverstorben, treten seine Abkömmlingen (also die Geschwister, Nichten und Neffen etc. des Erblassers) in sein Recht ein, § 736 ABGB. Der Ehegatte erhält neben Abkömmlingen eine Quote in Höhe von ⅓. Neben Eltern und Geschwistern erhält er ⅔, § 757 ABGB. Als gesetzliches Vorausvermächtnis erhält er ein Wohnrecht an der ehelichen Wohnung und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, § 758 ABGB. Gleiches gilt seit dem 1.1.2010 für den Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen "Lebenspartnerschaft". Gesetzlicher Güterstand ist im österreichischen Recht nach ABGB die "Gütertrennung", § 1237 ABGB. Die Teilung der ehelichen Ersparnisse und des Hausrats nach den §§ 81 ff. EheG wird ausschließlich im Fall der Scheidung durchgeführt. Im Erbfall findet also die "erbrechtliche Lösung" statt.

 

Rz. 277

 

Gestaltungshinweis

Der EuGH hat nun klargestellt, dass aufgrund der erbrechtlichen Rechtsnatur der Erhöhungsviertels aus § 1371 Abs. 1 BGB diese Vorschrift ausschließlich bei Geltung deutschen Erbstatuts zur Anwendung kommt.

Gilt österreichisches Erbrecht und leben die Eheleute in Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts, so erhält der überlebende Ehegatte daher die gesetzliche Quote aus § 731 Abs. 1 ABGB (ein Drittel bzw. ⅔) und dazu den rechnerischen Zugewinnausgleich aus § 1372 ff. BGB – vorausgesetzt, dass der Verstorbene den höheren Zugewinn erzielt hat. Da der Ausgleich steuerfrei ist und den Nachlass z.B. auch bei der Berechnung der Pflichtteile mindert, kann sich hieraus im Einzelfall ein Gestaltungsvorteil ergeben.
Gilt deutsches Erbrecht und leben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand des österreichischen Rechts, so ist § 1371 Abs. 1 BGB als Vorschrift rein erbrechtlicher Natur zur Anwendung berufen. Das zusätzliche Viertel kann aber nur dann gewährt werden, wenn der gesetzliche Güterstand des österreichischen Rechts eine "Zugewinngemeinschaft" i.S.v. § 1371 Abs. 1 BGB darstellt (Substitution). Das ist m.E. zu bejahen,[148] da auch das österreichische Recht für den Zugewinnausgleich im Erbfall allein die "erbrechtliche Lösung" kennt.
In der Literatur finden sich diverse Versuche, einen Gleichlauf zwischen Erb- und Güterstatut zu erreichen. Praktisch ist das allein dann möglich, wenn beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und daher gem. Art. 26 EuGüVO und gem. Art. 22 EuErbVO deutsches Erb- und Güterstatut durch Rechtswahl auch für den Fall festlegen können, dass im ersten Erbfall der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte. Sicherer und einfacher ist es, die Erbfolge testamentarisch zu regeln – zumal bei österreichischem Güterstatut der gesetzliche Erbteil überlebenden Ehegatten gem. § 1931 Abs. 4 BGB bei Verneinen der Substitution u.U. nur ¼ beträgt.
 

Rz. 278

Das Pflichtteil besteht in einem Geldanspruch. Die Pflichtteilsquote beträgt für Abkömmlinge und den Ehegatten bzw. "eingetragenen Partner" die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, § 759 ABGB. Das Pflichtteil für die Vorfahren ist mit der Erbrechtsreform 2015 abgeschafft worden.

 

Rz. 279

Eine testamentarische Gestaltungsmöglichkeit ergibt sich aufgrund der Erbrechtsreform 2015 dahingehend, dass Testator die Stundung des Pflichtteilsanspruchs auf bis zu fünf Jahre nach seinem Tod oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums anordnen kann. Ebenso kann er die Deckung des Pflichtteils durch eine Zuwendung ganz oder zum Teil auf diesen Zeitraum erstrecken.

 

Rz. 280

Ein weiterer Vorteil gegenüber dem deutschen Recht ergibt sich daraus, dass gem. § 781 ABGB Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte oder auch ein Dritter vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten oder auf den Todesfall erhalten hat, auf einen allfälligen Geldpflichtteil des Geschenknehmers anzurechnen sind. Das gilt z.B. auch für die Ausstattung eines Kindes oder einen Vorschuss auf den Pflichtteil.

 

Gestaltungshinweis

Hat also der Erblasser zu Lebzeiten eine Schenkung oder andere Zuwendung an einen Pflichtteilsberechtigten vorgenommen und dabei "vergessen" die Anrechnung auf den Pflichtteil anzuordnen, so kann er diesen Fehler ggf. dadurch wieder ausmerzen, dass er die Erbfolge durch Rechtswahl (bei österreichischer Staatsangehörigkeit) bzw. durch Nicht-Rechtswahl (bei gewöhnlichem Aufenthalt in der oder Umzug in die Alpenrepublik) unterstellt.

[148] Süß, DNotZ 2018, 753. Die Situation muss aktuell aber noch als unklar gelten. Einschlägige Entscheidungen deutscher Gerichte liegen noch nicht vor.

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