A. Verfassungsmäßigkeit

 

Rz. 1

Die Maßnahme steht und fällt mit der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.[1] § 31a StVZO ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.[2] Die Fahrtenbuchanordnung verstößt nicht gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.[3] § 31a StVZO besitzt gefahrenabwehrrechtlichen Charakter und soll die Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs bei gegebenem Anlass dadurch gewährleisten, dass in Zukunft der Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit über das Fahrtenbuch alsbald ermittelt werden kann.[4] Mit der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuchs bleibt das Recht des Betroffenen gewahrt, sich selbst nicht bezichtigen zu müssen.[5] Die Verfassung schützt nicht davor, dass aus Aufzeichnungen, die auf zulässige Verpflichtungen zur Führung von Akten, Büchern, Registern usw. zurückzuführen sind, Erkenntnisse über die Täter von Verkehrsordnungswidrigkeiten abgeleitet werden, auch wenn es sich dabei um den Aufzeichnenden selbst oder um jemanden handelt, hinsichtlich dessen dem Aufzeichnenden ein Aussageverweigerungsrecht zusteht.[6] Der Schutzzweck des Zeugnisverweigerungsrechts gebietet keine verfassungskonforme Reduktion von § 31a StVZO im Lichte von Art. 6 Abs. 1 GG, da dieser Schutzzweck durch die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, nicht berührt wird.[7]

[1] Zum Folgenden ausführlich: Haus, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Aufl. 2014, § 31a StVZO Rn. 1 ff.
[2] BVerfG NJW 1982, 568; Haus, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Aufl. 2014, § 31a StVZO Rn 1 ff.
[3] OVG NRW DAR 2011, 426.
[4] BVerfG NJW 1982, 568; NdsOVG zfs 2008, 356, 358.
[5] BVerwG zfs 2000, 367.
[6] Hamburgisches OVG, Beschl. v. 28.6.2016 – 4 Bf 97/15.Z, VerkMitt 2016, 78.
[7] Hamburgisches OVG, Beschl. v. 28.6.2016 – 4 Bf 97/15.Z, VerkMitt 2016, 78.

B. Sinn und Zweck des Fahrtenbuchs

 

Rz. 2

Kein "doppeltes Recht", einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage "verschont" zu bleiben

Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die an den Fahrzeughalter als den Inhaber der Verfügungsbefugnis über das Fahrzeug gerichtete Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Damit soll dafür Sorge getragen werden, dass künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach seiner Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist.[8] Nach dem Zweck des § 31a StVZO sollen nicht der Umgang mit einem bestimmten Fahrzeug, sondern die Beachtung der einem Kfz-Halter obliegenden Aufsichtspflicht über die von ihm in Verkehr gebrachten Fahrzeuge sichergestellt werden.[9] Der Fahrtenbuchanordnung kommt eine präventive und keine strafende Funktion zu.[10] Sie ist nur gerechtfertigt, wenn sie geeignet ist, der abstrakten, in der Risikosphäre des Fahrzeughalters liegenden Gefahr zu begegnen, dass künftig mit einem auf ihn zugelassenen Kfz unaufklärbar bleibende Verkehrsverstöße begangen werden.[11] Auf eine konkrete Wiederholungsgefahr kommt es nicht an. Das Führen eines Fahrtenbuchs will auch positiv auf die Verkehrsdisziplin des Fahrzeugführers einwirken.[12]

 

Rz. 3

Einem Fahrzeughalter kann nach diesen Grundsätzen die Führung eines Fahrtenbuchs nur dann auferlegt werden, wenn der Fahrzeugführer selbst gegen Verkehrsvorschriften verstößt.[13] Das VG Mainz als Vorinstanz hatte dagegen die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchanordnung auch dann angenommen, wenn der Verkehrsverstoß vom Beifahrer seines Fahrzeugs begangen wurde.[14] ,[15]

 

Rz. 4

Gegenstand und tatbestandliche Voraussetzungen im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren einerseits und bei der Fahrtenbuchauflage andererseits unterscheiden sich grundlegend.[16] So ist der Halter eines Kfz, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, rechtlich nicht gehindert, im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren von einem etwaigen Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Macht er von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch, so muss er dennoch mit einer Fahrtenbuchauflage rechnen. Insofern besteht kein "doppeltes Recht" einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage "verschont" zu bleiben.[17] Die Fahrtenbuchanordnung ist ein selbstständiges verwaltungsbehördliches Verfahren und nicht etwa Annex des Bußgeldverfahrens. Die für das Bußgeldverfahren geltenden Belehrungs- und Hinweispflichten erstrecken sich damit nicht mehr auf ein anschließendes verwaltungsbehördliches Verfahren zur Anordnung eines Fahrtenbuchs. Diese unterliegt verwaltungsrechtlichen Regelungen und insbesondere dem jeweils einschlägigen Landesverwaltungsverfahrensgesetz.[18]

 

Rz. 5

Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, soll auf die dem Fahrzeugführer mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kfz hinwirken, mit dem ein Ver...

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