Rz. 1

Wer Verkehrsvorschriften nicht beachtet, ist auf Vorladung der Straßenverkehrsbehörde oder der von ihr beauftragten Beamten verpflichtet, an einem Unterricht über das Verhalten im Straßenverkehr teilzunehmen, § 48 StVO.[1]

 

Rz. 2

Zweck der Norm ist es, die Sicherheit und Ordnung auf den Straßen durch Belehrung derjenigen, die im Straßenverkehr Fehler begangen haben, zu heben.[2] Eine Vorladung ist danach nur dann sinnvoll und überhaupt zulässig, wenn anzunehmen ist, dass der Betroffene aus diesem Grund einer Belehrung bedarf.[3] Dabei kann auch schon eine einmalige Verfehlung Anlass zu einer Vorladung sein, wenn der bei dem Verstoß Betroffene sich trotz Belehrung uneinsichtig gezeigt hat.[4] Ein Erziehungsbedürfnis liegt vor, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass der Betroffene entweder ungenügende Kenntnisse der Verkehrsvorschriften aufweist oder deren Bedeutung verkennt oder aus charakterlichen Gründen nicht seiner Einsicht entsprechend handeln kann, so dass die erzieherische Wirkung einer Strafe oder eines Bußgelds nicht genügt.[5] Die Norm hat erzieherische Wirkung; sie stellt keine Sanktionsmaßnahme dar.[6] Die erzieherische Wirkung der Strafe oder des Bußgelds muss bei der Entscheidung über die Anordnung des Verkehrsunterrichts mitberücksichtigt werden. Besteht kein Anhaltspunkt für das Gegenteil, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Wirkung auf den Betroffenen ausreicht.[7]

 

Rz. 3

Die Norm ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.[8] Sie begegnet bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung keinen rechtlichen Bedenken. Die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) ist dadurch nicht betroffen. Die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Verkehrsunterricht ist keine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 104 Abs. 1 GG; die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 2 GG wird in zulässiger Weise durch die Vorschrift eingeschränkt.[9]

 

Rz. 4

Die nach § 48 StVO ausgesprochene Aufforderung zum Verkehrsunterricht stellt begrifflich einen VA dar, gegen den Widerspruch und Anfechtungsklage zulässig sind.

 

Rz. 5

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Vorladung haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO). Ein Fall des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 VwGO, durch den die aufschiebende Wirkung entfallen würde, liegt nicht vor. Insbesondere handelt es sich nicht um die Situation des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO (also keine unaufschiebbare Anordnung und Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten). Wurde gegen die Vorladung Widerspruch eingelegt und wurde die Vorladung nicht auf der Grundlage der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt, so muss der Vorladung zunächst einmal auch keine Folge geleistet werden, da durch die Einlegung des Rechtsbehelfs eine Wirksamkeits- bzw. Vollzugshemmung[10] eingetreten ist.

 

Rz. 6

Zuständig zur Vorladung ist die Straßenverkehrsbehörde oder der von ihr im Rahmen der Geschäftsverteilung beauftragte Beamte.

 

Rz. 7

Tatbestandliche Voraussetzung ist die Nichtbeachtung von Verkehrsvorschriften. Die Begehung eines Verkehrsverstoßes muss feststehen.[11] So kann aufgrund eines bestandskräftigen Bußgeldbescheids feststehen, dass der Betroffene eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen hat.[12] Bestreitet der Betroffene die ihm im Bußgeldbescheid vorgeworfenen Verkehrsverstöße, so muss er diese substantiiert bestreiten.[13] ,[14]

Bei einem "Wiederholungstäter" soll regelmäßig Anlass zur Annahme bestehen, dass die erzieherische Wirkung der Strafe oder des Bußgelds auf den Betroffenen nicht ausreicht, weil der Betreffende dies durch die Wiederholungstat grundsätzlich gezeigt hat.[15] Auch eine einmalige Verfehlung kommt unter Umständen in Betracht.[16] Hier müssen aber besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass beim Betreffenden ein spezielles Erziehungsbedürfnis besteht (z.B. Umstände der Tatbegehung, Verhalten nach der Tat oder die Einlassung des Täters zur Tat).[17]

Die Vorladung ist – wie andere Verwaltungsakte auch – zu begründen (§ 39 VwVfG; vgl. dazu oben § 2 Rdn 22 ff.). Dabei müssen insbesondere auch die Tatsachen angegeben werden, in denen die Zuwiderhandlung gesehen wird.

Die Vorladung steht selbstständig neben einer evtl. gleichzeitig denkbaren Ahndung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat.

 

Rz. 8

Die Vorladung eines Taxifahrers zum Verkehrsunterricht erweist sich als rechtmäßig, wenn aus dessen Einlassungen zu schließen ist, dass ihm die Vorschrift des § 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 5 StVO (Parkverbot vor Grundstücksein- und -ausfahrten und vor Bordsteinabsenkungen) nicht hinreichend geläufig ist, wonach das Parken an abgesenkten Bordsteinen generell verboten ist, unabhängig davon, ob sich dort Grundstücksein- oder -ausfahrten befinden und selbst wenn es sich um ganze Straßenzüge handeln sollte.[18]

 

Rz. 9

Der Anordnung kann auch der Vorwurf zugrunde liegen, dass der Betroffene ein Fahrrad führte, ohne das bestehende Rotlicht einer Lichtzeichenanlage sowie die dort bestehende Radwegbenutzungspflicht gemäß Zeichen 237 beacht...

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