A. Gelbphase

 

Rz. 1

Nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften zur StVO muss die Gelbphase bei der innerorts üblichen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h drei Sekunden, bei 60 km/h bzw. 70 km/h jeweils vier bzw. fünf Sekunden betragen. Diese Zeiten sind errechnet unter Zugrundelegung einer mittleren Bremsverzögerung von 3 m/s/2 bei 50 und 60 km/h bzw. 3,5 m/s/2 bei 70 km/h.

Es handelt sich dabei zwar lediglich um Verwaltungsvorschriften, sie haben für die Gerichte jedoch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer Bedeutung (OLG Braunschweig zfs 2006, 229), zumal die Verkehrsteilnehmer auf die Einhaltung der üblichen Gelbzeiten vertrauen können (OLG Bremen VRS 79, 38). Die Gelblichtzeiten sind so bemessen, dass ein Kraftfahrer auch im ungünstigsten Fall mit einer normalen Bremsung noch vor dem Rotlicht anhalten kann.

 

Rz. 2

 

Achtung: Fahrzeuge mit verlängertem Bremsweg

Das OLG Oldenburg (NZV 2008, 471) verlangt von dem Führer eines Fahrzeuges mit einem verlängerten Bremsweg (hier Gefahrguttransporter), dass dieser ggf. bereits in der Grünphase seine Geschwindigkeit unter die zulässige reduziert.

B. Rotlichtverstöße

I. Allgemeines

 

Rz. 3

Zu unterscheiden sind einfache und qualifizierte Rotlichtverstöße. Der Qualifizierungstatbestand ist dann erfüllt, wenn das Rotlicht nach mehr als 1 Sekunde oder unter Gefährdung anderer überfahren wird. Der "einfache" Rotlichtverstoß wird mit einer Regelbuße von 90 EUR und einem Punkt im Fahreignungsregister geahndet, während der qualifizierte Verstoß neben einer Regelbuße von 200 EUR und dem Eintrag von zwei Punkten regelmäßig ein Fahrverbot nach sich zieht (OLG Karlsruhe DAR 2019, 215).

 
Hinweis

Tipp: Augenblicksversagen

Zum Augenblicksversagen bei Rotlichtverstößen: OLG Bamberg zfs 2016, 50 sowie nachfolgend § 27 Rdn 79 ff.

Das Regelfahrverbot nach Rotlichtverstößen wird nachfolgend behandelt (siehe § 27 Rdn 79 ff.).

II. Gelbphase

 

Rz. 4

Nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften ist die Gelblichtzeit in Abhängigkeit zu den zulässigen Höchstgeschwindigkeiten zu bestimmen, d.h. bei zulässiger Geschwindigkeit von 50 km/h 3 Sekunden und bei 70 km/h 5 Sekunden. Bei darüberliegenden Geschwindigkeiten dürfen Ampelanlagen nicht eingerichtet werden. Auf die Einhaltung der Gelbzeiten kann der Kraftfahrer vertrauen (OLG Bremen VRS 79, 38).

 

Rz. 5

Wie bei Geschwindigkeitsmessungen (siehe § 20 Rdn 19 ff.) wird auch bei Rotlichtmessungen ein Toleranzbereich gewährt. Die in den Überwachungsanlagen eingebaute Uhr beginnt zu laufen, sobald die Ampel auf Rotlicht springt. Die Verwaltungsrichtlinien räumen den Kraftfahrern aber eine Toleranzzeit von 0,5 Sekunden ein, d.h., der "Sünder" wird erst fotografiert und bußgeldrechtlich verfolgt, wenn er diese Rotlichtzeit überschritten hat."

III. Grenzfälle

1. Anhalten vor dem eigentlichen Schutzbereich

 

Rz. 6

Ein Rotlichtverstoß liegt nicht vor, wenn der Kraftfahrer sowohl Ampel als auch die Haltelinie zwar bei Rotlicht passiert, aber noch vor dem eigentlichen Schutzbereich anhält (BGH NZV 1998, 119; OLG Bremen DAR 2002, 225; OLG Frankfurt NZV 2008, 588). Es ist dann lediglich der Verwarnungsgeldtatbestand "Überfahren der Haltelinie" erfüllt (BayObLG NZV 1994, 200)."

 

Rz. 7

 

Achtung: Ältere Überwachungsanlagen

Der Richter wird eine entsprechende Behauptung des Betroffenen nur widerlegen können, wenn das Fahrzeug des Betroffenen zweimal fotografiert wurde, nämlich das erste Mal beim Überfahren der Haltelinie und das zweite Mal nach dem Einfahren in die Kreuzung. Viele (ältere) Rotlichtüberwachungsanlagen fertigen jedoch nur ein einziges Foto, und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene die Haltelinie überfährt.

2. Umgehung der Ampel

 

Rz. 8

Ein Rotlichtverstoß liegt auch dann nicht vor, wenn der Kraftfahrer die Rot zeigende Ampel dadurch umgeht, dass er über ein seitlich gelegenes Grundstück fährt, um die kreuzende Straße zu erreichen (OLG Düsseldorf NZV 1998, 41; OLG Hamm DAR 2007, 340; OLG Hamm DAR 2013, 512). Dies ist allerdings dann anders zu beurteilen, wenn er noch im unmittelbaren Kreuzungsbereich wieder in den durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich einfährt (OLG Hamm DAR 2002, 465).

3. Spurwechsel

 

Rz. 9

Entgegen der von verschiedenen Oberlandesgerichten (z.B. OLG Celle zfs 1994, 306) vertretenen Auffassung, die an Ampelanlagen mit unterschiedlichen Lichtzeichen für Geradeaus- und Abbiegeverkehr einen Rotlichtverstoß verneinte, wenn der Betroffene zwar in der durch Rot gesperrten Spur die Ampel passierte, dann aber auf eine durch Grünlicht freigeschaltete andere Fahrspur wechselte, lastet der BGH dem Kraftfahrer bereits dann einen Rotlichtverstoß an, wenn er auch nur ein kurzes Stück auf der durch Rotlicht gesperrten Spur fährt (BGH NZV 1998, 119); ihm folgend z.B. BayObLG DAR 2002, 173; KG NZV 2010, 361.

 

Rz. 10

Das gilt natürlich erst recht, wenn der Betroffene die Ampel zwar auf der durch Grünlicht freigegebenen Spur passiert, dann aber auf einer durch Rotlicht gesperrten anderen Spur weiterfährt (KG NZV 2010, 361; OLG Köln zfs 2016, 229). Allerdings ist in diesen Fällen das Einfahren in den geschützten Bereich maßgeblich für die Zeitmessung (OLG Hamm zfs 2018, 2...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge