Rz. 36

Die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des Rechtsanwaltes richtet sich nach dem mit dem Rechtsanwalts-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz[30] zum 1.6.2007 neu gefassten § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO. Danach sind Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur noch insoweit erstattungsfähig, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Frage der Zulassung des Rechtsanwaltes bei dem Gericht hat damit jede Bedeutung verloren, die ältere Rechtsprechung ist überholt.

Die bei der Anwendung von § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO gebotene typisierende Betrachtungsweise führt dazu, dass die Notwendigkeit einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu bejahen ist, wenn eine rechtsunkundige Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit der Vertretung in einem Prozess beauftragt, der vor einem auswärtigen Gericht geführt wird.[31]

 

Rz. 37

Umgekehrt hat der Bundesgerichtshof die Notwendigkeit der Beauftragung eines am Wohn- oder Geschäftssitz einer Partei ansässigen Anwalts grundsätzlich verneint, wenn es sich bei der Partei um einen als Rechtsanwalt zugelassenen Insolvenzverwalter,[32] einen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen,[33] einen Verbraucherverband[34] oder um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt,[35] es sei denn es handelt sich nicht um ein Routinegeschäft.[36] In diesen Konstellationen ist nach Ansicht des BGH bei typisierender Betrachtung davon auszugehen, dass die Partei in der Regel auch ohne ein persönliches Gespräch für eine sachgerechte Unterrichtung ihres Prozessbevollmächtigten Sorge tragen kann. Einer ausländischen Partei ist es dagegen unabhängig von ihrer Parteirolle grundsätzlich nicht zuzumuten, die Wahl des deutschen Rechtsanwalts am Sitz des Prozessgerichts auszurichten.[37]

 

Rz. 38

Eine wieder abweichende Fallgruppe stellt der Rechtsanwalt am dritten Ort, d.h. weder dem Wohn- oder Geschäftssitz des Mandanten noch dem Gerichtsort, dar. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Sitz der vertretenen Partei ansässig ist, nur bis zur Höhe der fiktiv durch die Einschaltung eines an den genannten Orten ansässigen Bevollmächtigten als notwendig und damit erstattungsfähig anzusehen sind.[38] Allerdings können in bestimmten Ausnahmekonstellationen auch die Mehrkosten eines an einem dritten Ort ansässigen Bevollmächtigten notwendig und damit erstattungsfähig sein, so wenn Besonderheiten etwa in der Betriebsorganisation oder in der zu vertretenden Sache bestehen.[39] Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn ein spezialisierter auswärtiger Rechtsanwalt mandatiert ist und ein vergleichbarer Anwalt am Wohnort der Partei nicht beauftragt werden kann. Solche Spezialkenntnisse hat etwa das OLG Frankfurt bei Wettbewerbsverstößen mit besonderem arzneimittelrechtlichem Hintergrund angenommen.[40]

[30] BGBl I 2007, 357.
[32] BGH v. 8.3.2012 – IX ZB 174/190 = NJW-RR 2012, 698; BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 44/04, NZI 2006, 524 m.w.N., es sei denn, es werden gleichförmige Ansprüche gegenüber einer Mehrzahl von Kommanditisten verfolgt. In dieser besonderen Konstellation sind die Reisekosten bis zur Höhe der Kosten, die im Falle der Beauftragung eines am Sitz des Insolvenzverwalters ansässigen Rechtsanwalts entstanden wären, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, BGH NJW 2018, 1693.
[34] BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – IV ZB 11/04, NJW 2006, 301, 303.
[36] BGH JurBüro 2003, 427; OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 214.
[38] BGH, NJW-RR 2004, 855; OLG Frankfurt v. 19.1.2018 – 6 W 113/17; OLG Düsseldorf, AGS 2007, 51.

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