Rz. 127

Vor- und Nacherbschaft sind im Unternehmensbereich zwar mit einigen (zusätzlichen) Schwierigkeiten verbunden. Aber gerade dann, wenn der eigentlich ins Auge gefasste Unternehmensnachfolger noch nicht in der Lage ist, die unternehmerische Verantwortung selbst zu übernehmen (z.B. bei minderjährigen bzw. in der Ausbildung befindlichen Kindern), kann sich dieses Gestaltungsinstrument dennoch empfehlen. Hier kann dann für eine Übergangsphase der Vorerbe zum Unternehmensnachfolger berufen werden.

 

Rz. 128

Wie bereits angedeutet, ist die praktische Umsetzung, insbesondere die Verwaltung der Vorerbschaft (und auch die Führung des Unternehmens) durch den Vorerben mit einigen Hindernissen und Problemen verbunden. Vor allem das Verbot unentgeltlicher Verfügungen (§ 2113 Abs. 2 BGB) kann es dem Vorerben in Extremsituationen (Krise des Unternehmens, Insolvenzbedrohung) sehr schwer machen, der übertragenen unternehmerischen Verantwortung tatsächlich gerecht zu werden.[85]

 

Rz. 129

Dies gilt umso mehr, als eine unentgeltliche Verfügung i.S.v. § 2113 Abs. 2 BGB nicht nur bei offensichtlichen Schenkungen in Betracht kommt. Vielmehr liegt sie immer dann vor, wenn der Vorerbe über einen Nachlassgegenstand verfügt, ohne hierfür eine objektiv gleichwertige Gegenleistung (die dem Nachlass zugutekommt) zu erhalten. Problematisch ist mithin z.B. auch die Kündigung eines Gesellschaftsanteils oder die Zustimmung zu seiner Einziehung, wenn die entsprechende Abfindung unter dem tatsächlichen Verkehrswert der Beteiligung liegt.

Sogar Änderungen des Gesellschaftsvertrages können als unentgeltliche Verfügungen i.S.v. § 2113 Abs. 2 BGB anzusehen sein. Nämlich dann, wenn sich die Änderung negativ auf den Umfang der mit der Beteiligung verbundenen Rechte (Stimmrechte, Abfindungsansprüche, Gewinnbeteiligung etc.) auswirkt. Viele Einzelheiten in diesem Bereich sind natürlich (heftig) umstritten. Das mit Vor- und Nacherbschaften im Unternehmensbereich verbundene Streitpotential wird dadurch aber auch nicht geringer.

 

Rz. 130

Wenn also tatsächlich eine Vor- und Nacherbschaft erforderlich ist, sollte zum einen der Vorerbe sehr sorgfältig ausgewählt werden. Zum anderen erscheint es sinnvoll, seine Rechtsposition im Rahmen des Möglichen zu stärken. So kann man beispielsweise den Nacherben im Wege der Auflage verpflichten, sämtlichen Verfügungen des Vorerben zuzustimmen bzw. derentwegen keine Regressansprüche geltend zu machen. Ebenso kann man zugunsten des Vorerben ein Vermächtnis ähnlichen Inhalts aussetzen, mit dem ebenfalls der Nacherbe beschwert wird.

Begrenzt man (was eigentlich nahliegend erscheint) derartige Anordnungen auf Maßnahmen im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Unternehmens bzw. der Unternehmensbeteiligung, gibt man dem Vorerben im Zweifel Steine für Brot. Denn die Frage, wie der Begriff "ordnungsgemäße Verwaltung" zu definieren ist, wirft sogleich die nächsten Streitfragen auf. Will man diese dennoch nicht von vornherein vermeiden, bietet es sich an, Ihre Entscheidung einem Testamentsvollstrecker anzuvertrauen. Dieser kann auch gleichzeitig als Nacherbentestamentsvollstrecker fungieren.

 

Rz. 131

Muster 22.10: Befreiung des Vorerben

 

Muster 22.10: Befreiung des Vorerben

Der Vorerbe ist in Bezug auf mein der Vor- und Nacherbschaft unterliegendes Unternehmen _________________________ (genaue Umschreibung) von allen gesetzlichen Beschränkungen im weitestmöglichen Umfange befreit. Soweit der Vorerbe im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Unternehmens bzw. der unternehmerischen Beteiligungen an Änderungen des Gesellschaftsvertrages und/oder Kapitalmaßnahmen mitwirkt oder die Gesellschafterstellung gegen Gewährung einer hinter dem Verkehrswert zurückbleibenden Abfindung aufgibt, beschwere ich den Nacherben mit der Auflage, wegen dieser Maßnahmen keine Regressansprüche geltend zu machen bzw. dem Vorerben seine Zustimmung zu diesen Maßnahmen zu erteilen.

Ich ordne Testamentsvollstreckung für den Nacherben an. Der Testamentsvollstrecker hat die Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben bis zum Eintritt des Nacherbfalles wahrzunehmen. Des Weiteren ordne ich Testamentsvollstreckung für den Nacherben in der Weise an, dass auch nach Eintritt des Nacherbfalles der Testamentsvollstreckung sämtliche Rechte und Ansprüche des Nacherben gegenüber dem Vorerben unterliegen.

[85] Vgl. hierzu auch Wachter, in: Bonefeld/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, § 18 Rn 48 unter Hinweis auf BGHZ 78, 177 = NJW 1981, 115.

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