Rz. 34

Wie bereits angedeutet sind die vorgenannten gesetzlichen Vorgaben allesamt dispositiv. Die Gesellschafter haben also die Möglichkeit, von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Vereinbarungen zu treffen, wovon in der Praxis auch häufig Gebrauch gemacht wird. Die einzelnen in Betracht kommenden Gesellschaftsvertragsklauseln führen mitunter zu sehr unterschiedlichen pflichtteilsrechtlichen und auch steuerlichen Konsequenzen. Diese werden beim Vertragsschluss oftmals vernachlässigt, können sich aber im Erbfall drastisch auswirken und führen mitunter zu erheblichen, im Einzelfall sogar existenzbedrohenden, Liquiditätsbelastungen.

Im Einzelnen kommen folgende Regelungen in Betracht:

 

Rz. 35

Den Regelungsinhalt von § 131 Abs. 2 Nr. 1 HGB geben die sog. Fortsetzungsklauseln wider. Diese besagen, dass die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters mit den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wird. Mit dem Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters erlöschen automatisch auch alle ihm bis dahin zustehenden gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte.[13] Die gesamthänderische Beteiligung des Verstorbenen wächst den übrigen (Mit-)Gesellschaftern gemäß § 105 Abs. 3 HGB, § 738 Abs. 1 S. 1 BGB anteilig zu (Anwachsungserwerb).

 

Rz. 36

Anstelle des (untergegangenen) Gesellschaftsanteils fällt in den Nachlass ein gegen die Gesellschaft (also solche[14]) gerichteter Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser richtet sich nach (zutreffender) Ansicht des BGH grundsätzlich nach dem Ertragswert des Anteils.[15] Ungeachtet der (missverständlichen) Formulierung von § 738 Abs. 1 S. 2 BGB zielt die Fortsetzungsklausel auf eine Fortführung der Gesellschaft ab, so dass es für den Abfindungsbetrag auf den Fortführungswert und nicht etwa auf den Liquidationswert ankommen muss. Demzufolge bestimmt der tatsächliche Wert des Unternehmens – vorbehaltlich abfindungsbeschränkender Vereinbarungen – den Abfindungsbetrag. Er ist entweder (traditionell) nach dem Ertragswertverfahren oder nach der Discounted-Cash-Flow-Method zu ermitteln.

 

Rz. 37

Eine Abfindung auf Verkehrswertbasis hat oftmals erhebliche Liquiditätsbelastung der Gesellschaft zur Folge, die im Einzelfall auch existenzbedrohende Ausmaße haben kann. Außerdem ist die Bewertung im Streitfall Gegenstand langwieriger Auseinandersetzungen zwischen der Gesellschaft und den Erben des Verstorbenen. Um solche Probleme von vornherein zu vermeiden, wird die Fortsetzungsklausel in der Praxis meist durch eine Abfindungsklausel flankiert. Im Hinblick auf den nach überwiegender Ansicht dispositiven Charakter von § 738 Abs. 1 S. 2 BGB können gesellschaftsvertraglich sowohl Regelungen zur betragsmäßigen Begrenzung des Abfindungsguthabens (z.B. auf den Buchwert oder einen fixen Höchstbetrag) als auch bloße Fälligkeitsregelungen (z.B. ratenweise Auszahlung des Guthabens) vereinbart werden.

 

Rz. 38

In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass für den Fall des Ausscheidens durch Tod sogar ein vollständiger Abfindungsausschluss für zulässig gehalten wird.[16] In diesem Fall entsteht von vornherein überhaupt kein Abfindungsanspruch; somit kann dieser auch nicht Bestandteil des Nachlasses sein. Buchwertklauseln können grundsätzlich[17] auch bei lebzeitigem Ausscheiden aus der Gesellschaft anerkannt werden,[18] sie sind daher auch für den Fall des Ausscheidens durch Tod unproblematisch.

 

Rz. 39

Sinnvoll und entsprechend weit verbreitet sind im Übrigen vertragliche Regelungen, die zur Ermittlung der Abfindung ein bestimmtes Berechnungsverfahren vorsehen. In der Vergangenheit wurde hierbei oftmals auf das Stuttgarter Verfahren nach R 96 ff. ErbStR 2003 verwiesen. Derartige Verweise sollten auch heute noch Bestand haben, in neu abzuschließende oder zu aktualisierende Verträge sollten jedoch besser andere Regelungen aufgenommen werden.

 

Rz. 40

Muster 22.1: Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag

 

Muster 22.1: Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag

Stirbt einer der Gesellschafter, so wird die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. Den Erben des verstorbenen Gesellschafters steht entsprechend dem Anteil des Erblassers ein Abfindungsanspruch zu. Die Höhe des Abfindungsanspruchs berechnet sich nach den Buchwerten ohne Berücksichtigung der stillen Reserven und eines eventuell vorhandenen Firmenwertes (good will). Ebenso unberücksichtigt bleiben bei der Bewertung die noch nicht abgewickelten Geschäfte.

 

Rz. 41

Soweit ein Abfindungsanspruch für den Verlust seines Gesellschaftsanteils nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB besteht, fällt dieser in den Nachlass. Mithin ist er z.B. auch in die Berechnung der Erbschaftsteuer sowie des Pflichtteils einzubeziehen.[19]

 

Rz. 42

Im Falle des Eingreifens abfindungsbeschränkender Gesellschaftsvertragsklauseln sind diese grundsätzlich auch im Rahmen der Erbschaftsteuer- sowie der Pflichtteilsberechnung (beim ordentlichen Pflichtteil und beim Pflichtteilsergänzungsanspruch) zu berücksichtigen.

Mithin wirken sich gesellschaftsrechtlich zuläs...

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