Rz. 534

Gem. § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet.

 

Rz. 535

Dem Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen steht die Pflicht jedes Elternteils zum Umgang mit dem Kind gegenüber. Diese Verpflichtung des Elternteils ist allerdings nicht gegen den Willen des betroffenen Elternteils durchsetzbar. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die zwangsweise Durchsetzung des Umgangsrechts i.d.R. nicht dem Kindeswohl entspricht und nur im Einzelfall unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein kann.[354]

 

Rz. 536

Das Umgangsrecht soll dem nicht betreuenden Elternteil die Möglichkeit geben, sich über das körperliche und geistige Befinden des Kindes zu informieren, einer Entfremdung vorzubeugen und die verwandtschaftliche Beziehung zu dem Kind aufrechtzuerhalten.[355]

 

Rz. 537

§ 1684 Abs. 2 BGB statuiert eine Loyalitätspflicht der Eltern untereinander. Diese haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.

 

Rz. 538

§ 1684 Abs. 3 BGB gibt dem Gericht die Befugnis, den Umgang des Kindes mit einem Elternteil zu regeln und ermächtigt das Gericht, Anordnungen zur Durchsetzung der Loyalitätspflicht zu treffen.

 

Rz. 539

Auch bei der Umgangsregelung ist gem. § 1697a BGB unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen aller Beteiligten die dem Kindeswohl am ehesten entsprechende Entscheidung zu treffen.

 

Rz. 540

Dies führt im Ergebnis dazu, dass selbst dann, wenn feststeht, dass die Weigerung des Kindes zum Umgang auf einer Beeinflussung durch den betreuenden Elternteil beruht, der Umgang ausgeschlossen werden kann. Zuvor ist aber zu prüfen, ob die Gründe, die das Kind für die Umgangsverweigerung anführt, plausibel und nachvollziehbar sind. Ebenfalls ist zu prüfen, ob gegebenenfalls ein begleiteter Umgang die Vorbehalte des Kindes beseitigen könnte.

 

Rz. 541

Der Umfang des Umgangs richtet sich immer nach dem Einzelfall. Dabei sind gewisse Erfahrungswerte, die sich in der Praxis herausgebildet haben, zu berücksichtigen. Wichtig ist bei jeder Umgangsregelung, dass sie dem Kind eine gewisse Kontinuität und Regelmäßigkeit bietet. Es hat sich in der Praxis eingebürgert, dass das Umgangsrecht alle zwei Wochen von freitags bis sonntags ausgeübt wird. Auch bei sehr kleinen Kindern spricht nichts gegen eine Übernachtung, solange der umgangsberechtigte Elternteil die Pflege und Betreuung des Kindes sicherstellen kann. Einer darüber hinausgehenden Ausweitung des Umgangs steht grundsätzlich nichts entgegen.

 

Rz. 542

Immer größere Bedeutung gewinnt auch das sog. paritätische Wechselmodell, wobei sich die Eltern die Betreuung des Kindes hälftig teilen. Dies kann z.B. so ausgestaltet sein, dass das Kind wöchentlich zwischen beiden Elternteilen wechselt. Nachdem dies lange Zeit umstritten war, hat der BGH nun entschieden, dass das paritätische Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, sofern dies dem Kindeswohl am besten entspricht.[356] Dies ist in der Regel nicht der Fall, wenn das Verhältnis der Eltern konfliktbelastet ist und es diesen an Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit mangelt.

 

Rz. 543

Schwierig sind die Fälle, in denen dem Umgangsberechtigten gegenüber der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erhoben wird. Die Tatsache, dass gegen den Vater ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Kindesmissbrauchs läuft, führt als solche weder zum Ausschluss noch zur Einschränkung der Umgangsbefugnis des Beschuldigten. Das Familiengericht muss vielmehr in jedem Einzelfall das Gewicht des Tatverdachts und der möglichen Gefahren für das Kindeswohl selbstständig prüfen und abwägen.[357]

 

Rz. 544

Der bloße Umstand, dass der Umgangselternteil aus einem moslemischen Land stammt und enge Beziehungen zu seinem Heimatland unterhält, genügt für sich genommen nicht, von einer konkreten Entführungsgefahr für das Kind auszugehen und deshalb das Umgangsrecht einzuschränken oder gar auszuschließen.[358] Nur wenn konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der umgangsberechtigte Elternteil das Kind ins Ausland entführen will, kommt eine Einschränkung des Umgangsrechts in Betracht.[359]

 

Rz. 545

Die fortgesetzte Unterbindung von Besuchskontakten durch den betreuenden Elternteil kann zu einem teilweisen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Bestellung eines Pflegers zur Sicherung des Umgangsrechts führen. Im Regelfall führt ein solches Verhalten nicht zu einer Übertragung der Alleinsorge auf den bisher umgangsberechtigten Elternteil, weil bei ansonsten positiver Bewertung der sonstigen Kriterien des Kindeswohls insbesondere im Hinblick auf den Kontinuitätsgrundsatz eine Änderung der bestehenden Sorgerechtsregelung nicht in Betracht kommt.

 

Rz. 546

Während des Umgangs des Kindes mit einem Elternteil entscheidet dieser im Übrigen über die Ang...

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