Rz. 529

Am 19.5.2013 traten die §§ 1626a BGB, 155a FamFG bezüglich der elterlichen Sorge nicht miteinander Verheirateter in Kraft. Nach § 1626a Abs. 1 BGB steht den nicht verheirateten Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zu, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen, wenn sie einander heiraten oder soweit das Familiengericht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam überträgt. Das Familiengericht überträgt nach § 1626a Abs. 2 BGB auf Antrag die elterliche Sorge oder einen Teil auf beide gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Teil keine Gründe vor, die der Übertragung der elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 1626a Abs. 2 S. 2 BGB).

 

Rz. 530

Auch bei der "negativen Kindeswohlprüfung" im Rahmen des § 1626a BGB ist das Kindeswohl somit vorrangiger Maßstab für die gerichtliche Entscheidung über die gemeinsame elterliche Sorge, es gelten die zu § 1671 BGB ausgeführten Grundsätze entsprechend.[351] Von der gemeinsamen elterlichen Sorge ist abzuweichen, wenn und soweit die Alleinsorge eines Elternteils dem Kindeswohl besser entspricht. Die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist folglich unter den gleichen Voraussetzungen abzulehnen, unter denen im Fall des § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben wäre. Die im Gegensatz zu § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB negative Formulierung der Voraussetzungen in § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB berücksichtigt lediglich die unterschiedliche rechtliche Ausgangssituation, begründet jedoch im Ergebnis keine materiell-rechtlichen Unterschiede hinsichtlich der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge. So ist im Rahmen des § 1626a BGB zu prüfen, ob die gemeinsame elterliche Sorge zu begründen ist, während im Rahmen des § 1671 BGB geprüft werden muss, ob sie aufzuheben ist.

 

Rz. 531

In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestehen bei § 1626a BGB im Hinblick auf den Umfang der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung Besonderheiten gegenüber § 1671 BGB.[352] Während bei § 1671 BGB, abgesehen vom Fall der Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils, keine Einschränkungen der Amtsermittlungspflicht sowie der gebotenen Anhörung Verfahrensbeteiligter und des Jugendamts vorgesehen sind, genügt es nach § 1626a BGB für die gerichtliche Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam bereits, dass der andere Elternteil keine Gründe vorträgt, die dem entgegenstehen können und solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich sind. Dem entspricht die verfahrensrechtliche Regelung des § 155a Abs. 3 FamFG.

 

Rz. 532

Da nach § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB bereits die Möglichkeit ausreicht, dass die Gründe einer gemeinsamen Sorge entgegenstehen, sind an deren Darlegung keine hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist, dass sich aus den dem Gericht vorliegenden Entscheidungsgrundlagen aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte die Möglichkeit ergibt, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Wobei hinreichende Anhaltspunkte nicht erst dann gegeben sind, wenn der Tatsachenvortrag genügt, um in einer den Maßgaben der Rechtsprechung folgenden umfassenden Abwägung festzustellen, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht.[353] Liegen hinreichende Anhaltspunkte vor, löst dies die Amtsermittlungspflicht aus und führt zur im normalen Sorgerechtsverfahren durchzuführenden umfassenden Prüfung.

[351] BGH FamRZ 2016, 1439.
[352] BGH FamRZ 2016, 1439.
[353] BGH FamRZ 2016, 1439.

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