Rz. 347

Neben dem Familienverfahrensrecht hat der Gesetzgeber zum 1.9.2009 auch das Recht des Versorgungsausgleichs vollständig neu geregelt. Die bisher im BGB, dem VAHRG und dem VAÜG aufgeteilten Regelungen wurden in dem neu geschaffenen Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) gebündelt. Das neue Recht ist in allen Verfahren, die nach dem Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes eingeleitet werden, anzuwenden. Verfahren, die vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurden, und dann vor oder nach Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes abgetrennt oder ausgesetzt wurden oder werden beziehungsweise deren Ruhen angeordnet war oder wird, sind nach der Wiederaufnahme ebenfalls nach neuem Recht zu behandeln (§ 48 S. 2 VersAusglG).

 

Rz. 348

Gem. § 1 Abs. 1 VersAusglG sind die in der Ehe erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Im Gegensatz zu dem früheren Recht erfolgt kein Einmalausgleich, sondern ein sog. Hin- und Herausgleich innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die Notwendigkeit, alle Anrechte vergleichbar zu machen und damit auch nicht volldynamische Anrechte in Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen, nunmehr entfällt.

 

Rz. 349

§ 2 VersAusglG bestimmt, welche Anrechte dem Versorgungsausgleich unterliegen. Neben den auch schon bisher dem Versorgungsausgleich unterfallenden Anrechten sind nunmehr auch betriebliche Kapitalzusagen und Anrechte aus privaten Versicherungsverträgen i.S.d. Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (Riester- und/oder Rürup-Verträge) im Versorgungsausgleich auszugleichen. Nach dem früheren Recht fielen derartige Anrechte in den Zugewinnausgleich.

 

Rz. 350

§ 3 VersAusglG definiert die Ehezeit. Diese beginnt mit dem 1. Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde, und endet mit dem letzten Tag des Monats, der der Zustellung des Scheidungsantrags vorausgeht. Gem. § 3 Abs. 3 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt. Hier liegt ein Haftungsrisiko für den Rechtsanwalt.

 

Rz. 351

Das gerichtliche Verfahren in den Versorgungsausgleichssachen ist in den §§ 218229 FamFG geregelt. Wie bisher auch sind die Ehegatten verpflichtet, Auskunft über ihre Versorgungsanrechte zu erteilen (§ 220 Abs. 1 und Abs. 5 FamFG). Übersendet das Gericht entsprechende Formulare, sind diese von den Beteiligten zu verwenden. Kommt einer der Ehegatten seiner Auskunftsverpflichtung nicht nach, kann nach neuem Recht das Gericht auch Zwangshaft anordnen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 FamFG in Verbindung mit § 888 Abs. 1 ZPO).

 

Rz. 352

 

Hinweis

Die Beteiligten tun sich erfahrungsgemäß mit dem Ausfüllen der Formulare schwer. Hilfe bei der Ausfüllung der Formulare und bei der Klärung von Lücken im Versicherungsverlauf bieten die Rentenversicherungsträger, die in ihren örtlichen Geschäftsstellen regelmäßig Sprechstunden abhalten, oder die Versicherungsämter bei den Kreis- oder Stadtverwaltungen.

 

Rz. 353

§ 4 VersAusglG normiert darüber hinaus materiell-rechtliche Auskunftsansprüche der Ehegatten untereinander, zwischen Ehegatten und Versorgungsträgern und zwischen den Versorgungsträgern untereinander.

 

Rz. 354

Die Versorgungsträger haben nach neuem Recht selbst den Ehezeitanteil der in den Versorgungsausgleich fallenden Versorgung zu berechnen. Außerdem haben sie dem Gericht einen Vorschlag für die Bestimmung des Ausgleichswerts und, falls es sich dabei nicht um einen Kapitalwert handelte, für einen korrespondierenden Kapitalwert i.S.d. § 47 Versorgungsausgleichsgesetz zu unterbreiten.

 

Rz. 355

Aufgabe des Anwalts wird es auch zukünftig sein, die Auskünfte der Versorgungsträger auf ihre inhaltliche Richtigkeit und ihre Vollständigkeit zu überprüfen. In diesem Zusammenhang ist auch § 18 VersAusglG zu berücksichtigen. Danach soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist, oder wenn einzelne Anrechte nur einen geringen Ausgleichswert haben. Was unter einem geringen Wertunterschied beziehungsweise Ausgleichswert zu verstehen ist, definiert Abs. 3 der Vorschrift. Wird der Ausgleichswert als monatlicher Rentenbetrag angegeben, entspricht dies im Jahr 2010 einem Betrag von monatlich 25,55 EUR, wird der Ausgleichswert nach dem – korrespondierenden – Kapitalwert berechnet, entspricht dies bei einem Ehezeitende im Jahr 2010 einem Betrag in Höhe von 3.066 EUR.

 

Rz. 356

Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen die gesetzliche Regelung unangemessen ist und deshalb seitens des Anwalts vorgetragen werden muss, warum ausnahmsweise der Ausgleich doch erfolgen soll. Benötigt bspw. der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Übertragung der Anrechte zwecks Erfüllung einer Wartezeit, kann dies ein Grund dafür sein, den Versorgungsausgleich auch hinsichtlich derartiger geringwertiger Ausgleichswerte durchzuführen. In anderen Fällen können auf Seiten des einen Ehegatte...

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