Rz. 73

Materiellrechtliche Voraussetzung des Abänderungsbegehrens ist, dass eine wesentliche Veränderung der für das frühere Urteil/den früheren Beschluss maßgebenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vorliegt, z.B.:

Veränderung der Rechtslage,
Veränderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung[66] (z.B. Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Anrechnungsmethode),[67]
Veränderung der Einkommensverhältnisse (z.B. länger dauernde Arbeitslosigkeit,[68] Verrentung, Wegfall einer Rente),
Veränderungen des zu zahlenden Kindesunterhalts (Änderung der Düsseldorfer Tabelle, Erreichen der nächst höheren Altersstufe des Kindes, Wegfall des Kindesunterhalts nach Beendigung der Ausbildung, Veränderung des Kindergeldes, Geburt eines weiteren unterhaltsbedürftigen Kindes[69]) wirken sich auf den Trennungsunterhalt aus, da der Kindesunterhalt zur Errechnung des Ehegattenunterhalts vorab vom Einkommen des Pflichtigen abgezogen wird,
Wegfall der Geschäftsgrundlage,
Zurechnung fiktiver Einkünfte (z.B. Versorgung eines neuen Lebenspartners, Eintritt einer Erwerbsobliegenheit).
 

Rz. 74

 

Tipp

Um die Berechnung des Unterhalts in dem abzuändernden Titel substantiiert darlegen zu können, empfiehlt es sich, die Unterlagen, aus denen die Berechnungsgrundlage des alten Titels hervorgeht (z.B. alte Düsseldorfer Tabelle, Berechnungsbögen zum Unterhalt), aufzubewahren.

 

Rz. 75

Die Veränderung ist dann maßgeblich, wenn die veränderte Tatsache für die Festsetzung des Unterhalts in dem abzuändernden Titel entscheidungserheblich war. Dies hat der Antragsteller darzulegen und zu beweisen.

 

Rz. 76

Die Veränderung ist wesentlich, wenn sie mehr als 10 % ausmacht. Hierbei handelt es sich nur um eine Richtgröße, es ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.[70]

 

Rz. 77

Die Veränderung der Verhältnisse muss "nachträglich" eingetreten sein. Auf den Zeitpunkt der Kenntnis kommt es nicht an,[71] auch nicht auf die Vorhersehbarkeit (z.B. Schwangerschaft lag im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor, Kindesunterhaltspflicht tritt aber erst mit der Geburt, die nach dem erstinstanzlichen Urteil geschieht, ein). Es hängt von der Art des abzuändernden Titels ab, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist:

Erstinstanzliches/r Leistungsurteil/Leistungsbeschluss: Schluss der letzten Tatsachenverhandlung;
Versäumnisbeschluss: Erlass des Versäumnisbeschlusses, sofern die veränderten Tatsachen nicht mehr im Einspruchsverfahren geltend gemacht werden können (§ 238 Abs. 2 FamFG);
 

Rz. 78

 

Tipp

Ist nicht bekannt, wie genau sich das Einkommen verändert hat, dann kann auch im Wege des "Abänderungsstufenantrags" vorgegangen werden. Der Vorteil des Stufenverfahrens liegt darin, dass der Zahlungsantrag zunächst nicht beziffert wird. Trotzdem wird auch der (noch unbezifferte) Zahlungsantrag rechtshängig (dies ist wichtig für die Zeitschranke beim Abänderungsverfahren: § 238 Abs. 3 S. 1 FamFG!).

 

Rz. 79

 

Tipp

Zieht sich das erste Abänderungsverfahren in die Länge (z.B. weil ein ärztliches Sachverständigengutachten hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit eingeholt werden muss), so ist darauf zu achten, dass bei Beendigung des Rechtsstreits die aktuellen Einkommensverhältnisse zur Grundlage des Beschlusses oder Vergleichs gemacht werden, denn bei einer späteren Abänderung des Titels kommt es wiederum auf die nachträgliche Veränderung der Verhältnisse, nicht auf die Kenntnis an. Es kann im ersten Verfahren gem. § 235 Abs. 1 FamFG angeregt werden, dem Gegner aufzugeben, die aktuellen Verhältnisse offen zu legen. Wird dies vom Gericht angeordnet, so muss der Betroffene während des Verfahrens auch unaufgefordert mitteilen, wenn sich während des Verfahrens Umstände, die Gegenstand dieser Anordnung waren, wesentlich ändern (§ 235 Abs. 3 FamFG).

 

Rz. 80

Der Zeitpunkt, zu welchem eine Abänderung begehrt werden kann, hängt des Weiteren davon ab, ob der Unterhaltsschuldner oder Unterhaltsgläubiger eine Abänderung begehren. Unterschieden wird somit de facto danach, ob eine Reduzierung oder Erhöhung des Unterhalts begehrt wird.

 

Rz. 81

Der Unterhaltsberechtigte kann die Abänderung (Heraufsetzung) des Titels gem. § 238 Abs. 3 S. 2 FamFG auf den Zeitpunkt verlangen, zu dem der Verpflichtete in Verzug gekommen ist oder er zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Unterhaltsberechnung aufgefordert worden ist oder der Antrag rechtshängig wird (§§ 1361a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4, 1585b Abs. 2, 1613 Abs. 1 BGB).
 

Rz. 82

 

Beispiel

Rechtskräftiger Beschluss über Trennungsunterhalt: 20.8.2016,
Wegfall von Verbindlichkeiten: 16.1.2017,
Auskunftsverlangen des Unterhaltsberechtigten: 1.8.2017,
Abänderbarkeit des Titels rückwirkend zum 1.8.2017.
Begehrt der Unterhaltsverpflichtete die Herabsetzung des zu zahlenden im Urteil oder Beschluss titulierten Unterhalts, so kann der Titel gem. § 238 Abs. 3 S. 3 FamFG für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechende Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats herabgesetzt werden. Durch diese Regelung wird für Verfahren, die ab...

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