Rz. 222

Die Regelungen zu den Verfahren in Ehesachen finden sich in den §§ 121150 FamFG. Diese Ehesachen unterliegen im Wesentlichen nicht den Vorschriften des allgemeinen Teils des FamFG, sondern gem. § 113 Abs. 1 FamFG den Regelungen der ZPO. Die Vorschriften in den §§ 121 ff. FamFG gehen den Regelungen der ZPO allerdings vor. Zu den Ehesachen gehören die Verfahren auf Scheidung der Ehe (Scheidungssachen), auf Aufhebung der Ehe und auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Beteiligten. Weitere Regelungen zu den Scheidungssachen und den Folgesachen im speziellen sind in den §§ 133150 FamFG zu finden.

 

Rz. 223

Die sachliche Zuständigkeit für die Ehesachen ergibt sich aus §§ 23a Abs. 1 Nr. 1, 23b Abs. 1 GVG, § 111 FamFG.

 

Rz. 224

Die örtliche Zuständigkeit in Ehesachen ist in § 122 FamFG geregelt. Es handelt sich dabei um eine ausschließliche Zuständigkeit. Die Aufzählung der Anknüpfungskriterien in den Nr. 1–6 ergibt zugleich die zwingend zu beachtende nachfolgend dargestellte Rangfolge. Demnach ist zuständig,

das Gericht, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit allen gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr. 1);
das Gericht, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit einem Teil der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern bei dem anderen Ehegatten keine gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Nr. 2);
das Gericht, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt gehabt haben, wenn einer der Ehegatten bei Eintritt der Rechtshängigkeit im Bezirk dieses Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr. 3);
das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr. 4);
das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr. 5);
das Amtsgericht Schöneberg in Berlin (Nr. 6).
 

Rz. 225

Gewöhnlicher Aufenthalt i.S.d. § 122 FamFG ist der Ort des tatsächlichen Lebensmittelpunktes, der Schwerpunkt der sozialen und familiären Bindungen.[199] Entscheidend hierfür sind die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere die Eingliederung in neue soziale Beziehungen. Hat sich der ausgezogene Ehegatte in einer anderen Gemeinde, wo er wieder bei seiner Mutter wohnt, polizeilich angemeldet, so reicht dies allein nicht für die Annahme, dass er dort einen neuen Wohnsitz begründet hat. Es muss vielmehr festgestellt werden, ob in der anderen Gemeinde ein dauernder – und nicht nur vorübergehender – Lebensmittelpunkt besteht.[200]

 

Rz. 226

Der gewöhnliche Aufenthalt i.S.d. Vorschrift wird auch durch den Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt vermittelt, in der ein Ehegatte eine mehrmonatige[201] oder mehrjährige[202] Haftstrafe verbüßt.

 

Rz. 227

Ob durch den Aufenthalt der Ehefrau in einem Frauenhaus ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein vorübergehender und kurzfristiger, unter drei Wochen liegender Aufenthalt reicht jedenfalls nicht aus. Anders kann bei länger andauerndem Aufenthalt zu entscheiden sein, wenn durch nach außen erkennbare Umstände, etwa durch Anmeldung beim Einwohnermeldeamt, deutlich wird, dass die Ehefrau das Frauenhaus zum ständigen Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse zu machen gewillt ist.[203]

 

Rz. 228

Ein Kind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo der Schwerpunkt seiner persönlichen, dem Alter entsprechenden Bindungen, d.h. sein faktischer Daseinsmittelpunkt liegt.[204] Lebt das Kind während der Woche beim Vater und besucht es hier die Schule, so hat es auch dann seinen gewöhnlichen Aufenthalt allein beim Vater, wenn es sich an den Wochenenden bei der Mutter aufhält und das Sorgerecht von den Eltern gemeinsam ausgeübt wird. Durch einen Wechsel des Wohnsitzes entgegen einer einstweiligen Anordnung des Gerichts, den Lebensmittelpunkt des Kindes nicht zu verlegen, wird jedenfalls solange kein neuer gewöhnlicher Aufenthaltsort des Kindes begründet, wie mit dessen Rückführung gerechnet werden muss.[205]

 

Rz. 229

Sind aus der Ehe mehrere gemeinschaftliche minderjährige Kinder hervorgegangen, die teils bei dem einen Elternteil und teils bei dem anderen Elternteil leben, richtet sich die örtliche Zuständigkeit weder nach § 122 Nr. 1 oder Nr. 2 FamFG, sondern nach den Nr. 3 ff.[206] Gleiches muss im Übrigen gelten, wenn die Ehegatten hinsichtlich der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder ein echtes Wechselmodell praktizieren, die Kinder sich also zu gleichen Teilen bei dem einen wie bei dem anderen Elternteil aufhalten.

 

Rz. 230

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Ehesachen ergibt sich aus § 98 FamFG – soweit nicht Sonderregelungen wie bspw. die EU-Verordnung 2201/2003 vorrangig zu beachten sind (s. dazu unten Rdn 263). Sie liegt vor, wenn ein Ehegatte Deutscher ist oder bei Eheschließung Deutscher war. Sie liegt ferner vor, wenn beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben....

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