Rz. 56

Grob fahrlässige Unkenntnis ist anzunehmen, wenn dem Gläubiger eine Kenntnis nur deshalb fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt bzw. das nicht beachtet hat, was in concreto jedem hätte einleuchten müssen.[110] Nicht nur, aber auch hierzu sind – entsprechend dem erklärten gesetzgeberischen Willen – nunmehr die Konstellationen zu rechnen, die nach der Rechtsprechung zu § 852 BGB a.F. einer positiven Kenntnis gleichzustellen waren, weil sich der Gläubiger einer sich aufdrängenden Erkenntnis verschlossen hatte.[111] Weitergehend ist aber unter Umständen auch dann eine grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn ein Gläubiger beispielsweise ihm mühelos und ohne nennenswerten Kostenaufwand mögliche Nachforschungen unterlässt, so dass dies schlechterdings unverständlich erscheint.[112] Inwieweit der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Unterlassen einer solchen Ermittlung ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein, so dass er aus verständiger Sicht gehalten ist, die Voraussetzungen des Anspruchs aufzuklären, soweit sie ihm nicht ohnehin bekannt sind.[113] In diesem Zusammenhang sind nicht nur etwa an Verbraucher geringere Anforderungen als an Unternehmer zu stellen, sondern können auch individuelle Besonderheiten in der Person des Gläubigers Berücksichtigung finden – so z.B. durch Abstellen auf die entsprechenden Berufsgruppen oder Verkehrskreise.[114]

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