Rz. 3

Nach § 230 ZPO hat die Versäumung einer Prozesshandlung die allgemeine Folge, dass die Partei mit der vorzunehmenden Prozesshandlung ausgeschlossen ist, d.h. der Prozess kann trotz des begründeten materiellen Anspruchs verloren werden. § 230 ZPO findet auf gesetzliche wie richterliche Fristen Anwendung.[1] Sie gilt allerdings aufgrund der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens dort nicht uneingeschränkt.[2]

 

Rz. 4

Dabei kommt es vom Grundsatz her zunächst auf kein Verschulden an. Auch bedarf es nach § 231 ZPO keiner Androhung der gesetzlichen Folgen der Fristversäumung, soweit dies nicht ausdrücklich im Gesetz abweichend geregelt ist.

 

Rz. 5

Eine anderweitige Anordnung, d.h. eine Belehrung über die Fristversäumung ist in folgenden Fällen vorgesehen:

§ 276 Abs. 2 ZPO: Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens,
§ 277 Abs. 2 ZPO: Klageerwiderungsfrist,
§ 335 Abs. 1 Nr. 4 ZPO: Versäumnisurteil,
§ 340 Abs. 3 S. 4 ZPO: Versäumnisurteil,
§ 504 ZPO: Belehrung über die Folgen der rügelosen Einlassung,
§ 510 ZPO: Erklärungsfrist über Urkunden,
§ 692 Abs. 1 Nr. 4 ZPO: Mahnbescheidsverfahren,
§ 890 Abs. 2 ZPO: Zwangsvollstreckung bei Duldung und Unterlassung,
§ 445 FamFG: Aufgebotsverfahren zum Ausschluss des Grundstückseigentümers,
§ 446, i.V.m. § 445 FamFG: Aufgebotsverfahren zum Ausschluss des Schiffseigentümers,
§§ 452 (i.V.m. 451 Abs. 2) FamFG: Aufgebotsverfahren zum Ausschluss des Grundpfandrechtsgläubigers, entsprechend des Schiffspfandrechtsgläubigers, bzgl. Binnenschifffahrt: § 465 Abs. 6 FamFG
§§ 453 i.V.m. 451 Abs. 2 FamFG: Aufgebotsverfahren zum Ausschluss des Vormerkungs-, Reallast- oder Vorkaufsberechtigten an Grundstücken oder Schiffen,
§§ 458 Abs. 1 1. Hs. 460 Abs. 1 S. 2 FamFG: Aufgebotsverfahren Nachlassgläubiger,
§§ 464 i.V.m. 458 Abs. 1 1. Hs. FamFG: Ausschluss der Gesamtgutsgläubiger,
§ 469 S. 2 FamFG: Aufgebotsverfahren Urkunden.
 

Rz. 6

 

Hinweis

Fehlt es an der Belehrung über die Folge der Fristversäumung, so kann diese Folge nicht eintreten. Bevor sich der Rechtsanwalt mit der Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand befasst, muss er in den vorbezeichneten Fällen also zunächst prüfen, ob eine Fristversäumung wegen fehlender Belehrung über die Folgen der Säumnis schon vom Grundsatz her ausscheidet.[3]

 

Rz. 7

In verschiedenen Fällen tritt die Fristversäumung aber nicht kraft Gesetzes unmittelbar ein, sondern es bedarf eines gesonderten Antrags des Gegners, um die Folgen der Säumnis, d.h. die Präklusion mit der Prozesshandlung eintreten zu lassen.

 

Rz. 8

Ein solches Antragserfordernis ergibt sich aus:

§ 109 Abs. 2 ZPO: Rückgabe der prozessualen Sicherheit,
§ 113 ZPO: Leistung der Ausländersicherheit,
§ 158 ZPO: Entfernung aus der Verhandlung,
§ 239 Abs. 4 ZPO: Unterbrechung des Verfahrens,
§ 246 ZPO: Aussetzung des Verfahrens,
§ 331 ZPO: Versäumnisurteil,
§ 699 Abs. 1 S. 1 ZPO: Vollstreckungsbescheid,
§ 890 Abs. 1 ZPO: Erzwingung von Duldung und Unterlassung,
§§ 926, 936 ZPO: Nachträgliche Klageerhebung,[4]
§ 942 Abs. 1, 3 ZPO: Antrag auf mündliche Verhandlung bei einstweiliger Verfügung,
§ 952 ZPO: Ausschlussurteil.
 

Rz. 9

 

Hinweis

In diesen Fällen erlaubt § 231 Abs. 2 ZPO, dass die versäumte Prozesshandlung noch nachgeholt werden kann, solange der Antrag noch nicht gestellt ist und die mündliche Verhandlung über ihn geschlossen werden kann oder der Antrag gestellt ist und es einer mündlichen Verhandlung über den Antrag nicht bedarf.[5] Auch hier hat der Rechtsanwalt nach der Feststellung der Säumnis also zunächst zu prüfen, ob der die Rechtsfolge voraussetzende Antrag gestellt ist.

 

Rz. 10

Beachtet werden muss, dass eine Säumnis nicht nur dann vorliegt, wenn die Frist tatsächlich ohne Vornahme der Prozesshandlung versäumt wurde, sondern auch dann, wenn die Prozesshandlung nicht wirksam innerhalb der Frist vorgenommen wurde und eine Heilung nicht in Betracht kommt. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Rechtsanwalt die Prozesshandlung vornehmen wollte, indem er beispielsweise einen Schriftsatz mit der Verteidigungsanzeige bei Gericht eingereicht hat, diese Prozesshandlung jedoch mangels Unterschrift nicht wirksam war.[6] Zu unterscheiden hiervon ist die inhaltliche Unvollständigkeit einer Rechtsmittelschriftschrift.[7]

 

Rz. 11

 

Hinweis

Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der richterlichen oder gesetzlichen Frist obliegt grundsätzlich demjenigen, der sich auf die Einhaltung der Frist beruft. Insoweit sollte darauf geachtet werden, dass die Einhaltung aller maßgeblichen Fristen dokumentiert wird. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass ein fristwahrender Schriftsatz auch einem Gericht gegen Empfangsbekenntnis übersandt oder durch eine Mitarbeiterin überbracht wird. In letzterem Fall sollte die Form der Überbringung, der Empfänger sowie Datum und Uhrzeit der Übergabe sowie die Art des übergebenen Schriftstücks unmittelbar von dem Boten dokumentiert werden. Auch kann sich der Bote auf einer Zweitschrift einen Eingangsstempel des Gerichts gebe...

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