Rz. 92

Ist die Partei aufgrund ihrer Bedürftigkeit nicht in der Lage, ohne die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein Rechtsmittel einzulegen, so wird selbst bei einer unverzüglichen Vorlage des Prozesskostenhilfegesuchs beim Rechtsmittelgericht über diese nicht in der Rechtsmittelfrist entschieden. Damit wird die Rechtsmittelfrist zunächst versäumt, so dass das Rechtsmittel wegen Fristversäumung zurückzuweisen wäre bzw. die beantragte Prozesskostenhilfe schon mangels Erfolgsaussicht nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zu verwehren wäre.

 

Rz. 93

Die Mittellosigkeit der Partei kann dieser aber nicht als Verschulden angelastet werden, so dass die Wiedereinsetzung[165] in die Rechtsmittelfrist jedenfalls dann angezeigt ist, wenn im Rahmen der Rechtsmittelfrist ordnungsgemäß um Prozesskostenhilfe nachgesucht wurde.[166] Hierzu gehört nicht nur die Vorlage eines vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Vordrucks der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse,[167] sondern auch die fristgemäße Vorlage der nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Belege.[168] In bestimmten Fällen soll auch ein im Rahmen eines Wiedereinsetzungsgesuchs und der diesbezüglichen Frist nach § 234 Abs. 1 ZPO gestellter Prozesskostenhilfeantrag ausreichend sein, wenn die Versäumung der rechtzeitigen Stellung dieses Antrags unverschuldet ist.[169]

 

Rz. 94

 

Hinweis

Auch einzelne Lücken bei der Ausfüllung des Vordrucks stehen einer fristgerechten Vorlage der Erklärung nach § 117 ZPO allerdings nicht entgegen, wenn sie nicht zur Versagung von Prozesskostenhilfe berechtigen, weil die fehlenden Angaben ohne weiteres aus dem Antrag und dessen Begründung oder den mit beigefügten Unterlagen entnommen und bestehende Zweifel beseitigt werden können. Der Antragsteller muss dann vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen, weil er sich für bedürftig i.S.d. §§ 114 ff. ZPO halten darf und aus seiner Sicht alles getan hat, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden kann.[170]

 

Rz. 95

 

Praxistipp

Der Rechtsanwalt muss aber auf jeden Fall prüfen, ob der Partei unter Umständen ein Prozesskostenvorschussanspruch gegen einen Dritten zusteht,[171] da ein solcher Anspruch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe – erkennbar – ausschließt.

 

Rz. 96

Zu einem ordnungsgemäßen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens gehört die erneute Vorlage eines vollständig ausgefüllten Vordrucks über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei.[172] Hier ist in der Praxis immer wieder feststellbar, dass der Bevollmächtigte die Erklärung ohne eigene Prüfung weiterreicht. Der Bevollmächtigte muss jedoch prüfen, ob die Erklärung als solche vollständig ausgefüllt wurde, in sich schlüssig ist, unterschrieben wurde und letztlich mit den sonstigen Erkenntnissen des Bevollmächtigten in Einklang steht. Der Bevollmächtigte kann dann auch die PKH berechnen.[173]

 

Rz. 97

Eine Bezugnahme auf den in der ersten Instanz vorgelegten Prozesskostenhilfeantrag genügt nur dann, wenn unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Änderung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse seit dessen Vorlage nicht eingetreten ist.[174]

 

Rz. 98

Auch wenn über das Vermögen der Partei bereits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist der amtliche Vordruck mit allen Angaben über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse vorzulegen.[175]

 

Rz. 99

 

Hinweis

Auch die Versäumnisse des Rechtsanwalts bei der Beantragung der Prozesskostenhilfe sind nach Auffassung des BGH[176] der Partei nach § 85 Abs. 2 BGB zuzurechnen.

 

Rz. 100

Der BGH geht bisher davon aus, dass das Prozesskostenhilfegesuch für das Rechtsmittelverfahren keinerlei Begründung im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels bedarf.[177] Unter Berücksichtigung der auf die Fehlerkontrolle beschränkten Berufung nach § 520 Abs. 3 ZPO wird dem neuerdings entgegengetreten und zumindest eine kursorische Begründung der Unrichtigkeit der anzufechtenden Entscheidung verlangt.[178] Dem Rechtsanwalt ist immer zu empfehlen, die wesentlichen Ansatzpunkte für eine Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht unter besonderer Berücksichtigung der Berufungsgründe in § 520 Abs. 3 ZPO zumindest stichpunktartig zu benennen.

 

Rz. 101

 

Hinweis

Beachtet werden muss, dass die Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 1 und 2 ZPO nicht nur mit der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch endet, sondern auch sobald das Hindernis, d.h. die Bedürftigkeit weggefallen ist.[179] Ändern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei während des Prozesskostenhilfeverfahrens durch zusätzliche Einnahmen, eine Erbschaft, eine Zahlung des Gegners oder sonstiger Dritter, die Realisierung von Außenständen oder eine doch noch erfolgte Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung,[180] muss also unverzüglich das Rechtsmittel eingelegt und die Wiedereinsetzung in d...

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