Rz. 83

Die Berufung[151] ist nach § 517 ZPO binnen eines Monats nach Zustellung des angegriffenen Urteils einzulegen. Es handelt sich um eine Notfrist, die mit der Zustellung des vollständig abgefassten Urteils beginnt.

 

Rz. 84

Schon mit der Zustellung des anzufechtenden Urteils werden erhebliche Sorgfaltspflichten begründet:

Das Empfangsbekenntnis ist erst dann mit dem Zustellungsdatum zu unterzeichnen, wenn das Zustellungsdatum und die Rechtsmittelfrist in den Fristenkalender und die Handakten sichergestellt ist.[152]
Es gilt für den Rechtsanwalt zu prüfen, ob er selbst oder jedenfalls der bestimmte Vertreter bei dem Gericht, bei dem das Rechtsmittel anzubringen ist, postulationsfähig ist.[153]
Auch bei Abgabe des Mandats zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens an einen Kollegen muss der abgebende Rechtsanwalt alle maßgeblichen Fristen prüfen und die zugrunde liegenden Daten und Fristen an den übernehmenden Bevollmächtigten einschließlich der richtigen Parteibezeichnungen mitteilen.[154]
 

Rz. 85

Der rechtzeitigen Anfertigung und Übersendung von Rechtsmittelschriften kommt eine überragende Bedeutung zu, weshalb der Rechtsanwalt diese inhaltlich selbst fertigen und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechtsmittelschrift auch selbst überprüfen muss. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass zweifelsfrei erkennbar bleibt, wer Rechtsmittelführer ist.[155]

 

Rz. 86

 

Hinweis

Verwirft das Berufungsgericht eine Berufung noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig, so muss der Bevollmächtigte beachten, dass er ungeachtet des Wiedereinsetzungsantrags wegen der Berufungsfrist, die Berufung in der gesetzlichen Frist begründen muss.[156]

 

Rz. 87

Wird die Berufungsfrist versäumt, kann grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.[157] Besonders zu beachten ist dabei, dass nach der ZPO-Reform zugleich mit der Berufungsfrist nach § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO auch die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist beginnt.

 

Rz. 88

Die Berufungsbegründung ist in der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO grundsätzlich auch dann vorzulegen, wenn das Wiedereinsetzungsgesuch[158] noch nicht oder abschlägig beschieden wurde und eine Korrektur in der Beschwerdeinstanz möglich erscheint. Anderenfalls ist die Berufung auch dann als unzulässig zu verwerfen, wenn dem Wiedereinsetzungsgesuch unmittelbar oder auf ein Rechtsmittel hin stattgegeben wird.[159] Es empfiehlt sich deshalb grundsätzlich, schon mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Berufungseinlegung diese auch zu begründen.

 

Rz. 89

 

Praxistipp

Ist die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO zu kurz, um neben dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Einlegung der Berufung die Berufung auch noch zu begründen, so kann der Rechtsanwalt auch zunächst die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Berufungsbegründungsfrist ohne Einwilligung des Gegners nach § 520 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO nur um einen Monat durch das Gericht verlängert werden darf. Mit einer solchen Verlängerung darf der Rechtsanwalt aber auch grundsätzlich rechnen.

 

Rz. 90

Die Berufungsfrist ist grundsätzlich auch dann versäumt, wenn der Rechtsanwalt die Berufung beim falschen Gericht eingelegt hat. Insoweit ist insbesondere darauf zu achten, inwieweit von der Konzentrationsbefugnis gem. § 72 Abs. 2 S. 2 GVG Gebrauch gemacht wurde.[160] Es besteht keine uneingeschränkte Verpflichtung des fälschlich angerufenen Gerichts, die Berufung innerhalb der Berufungsfrist an das tatsächlich zuständige Gericht weiterzuleiten.[161] Anders verhält es sich nur dann, wenn das tatsächlich angerufene Gericht einerseits mit der Sache bereits befasst war und andererseits der fristgebundene Schriftsatz so rechtzeitig eingeht, dass mit dessen Weiterleitung im normalen Geschäftsgang gerechnet werden kann.[162] Der Rechtsanwalt hat dann zwar schuldhaft gehandelt, ohne dass dieses schuldhafte Verhalten aber für die Fristversäumung kausal geworden ist.

 

Rz. 91

Soll die Frist zur Begründung der Berufung verlängert werden, darf der Rechtsanwalt diese Tätigkeit nicht seinem Büropersonal überlassen. Auch hier hat er die Richtigkeit und Vollständigkeit des Fristverlängerungsgesuchs zu kontrollieren.[163] Zu beachten ist insbesondere, dass nach der ZPO-Reform eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist schon kraft Gesetzes nur mit Zustimmung des Gegners möglich ist, die der Berufungsführer – rechtzeitig – einzuholen hat. Ob ausnahmsweise eine Abweichung von dieser klaren gesetzlichen Regelung möglich ist, wenn der Gegner die Zustimmung rechtsmissbräuchlich verweigert hat, hat der BGH bisher offengelassen.[164]

[151] Siehe zum Berufungsrecht ausführlich § 17 Rdn 1 ff.
[152] BGH BGH, Beschl. v. 09.10.2007 – XI ZB 14/07 –, juris; NJW 2003, 1528.
[154] BGH NJW-RR 2004, 865; vgl. zur Ausnahme Rdn 82.
[156] BGH FamRZ 2005, 791 f.; FamRZ 2004, 1783.
[157] Hierzu das Antragsmuster unter Rdn 199.
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