Rz. 68

Besonders kritisch sind die Fälle, in denen die Fristversäumung auf eine fehlerhafte Eintragung der zu beachtenden Frist zurückgeht. Entscheidend ist hier regelmäßig, ob dem Rechtsanwalt ein schuldhafter Verstoß gegen seine Belehrungs-, Organisations- oder Überwachungspflichten zur Last fällt.

 

Rz. 69

Als Ausgangspunkt ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt die Fristen grundsätzlich selbst zu berechnen und zu verfügen hat.

 

Rz. 70

 

Hinweis

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass mit der ZPO-Reform bei Eingang eines Urteils nicht nur die Rechtsmittelfristen, sondern auch die Rechtsmittelbegründungsfristen feststehen, so dass beide Fristen unverzüglich durch den Rechtsanwalt zu berechnen sind und deren Eintragung und Notierung zu gewährleisten ist.[125]

 

Rz. 71

Dem Rechtsanwalt ist es allerdings gestattet, die Berechnung einfacher Fristen und die Führung des Fristenkalenders auf seine Mitarbeiter zur selbstständigen Erledigung zu übertragen.[126] Ausnahmen sind die Berechnung solcher Fristen, die selten vorkommen, z.B. materielle Ausschlussfristen, bei deren Berechnung Schwierigkeiten nicht ausgeschlossen sind oder die Fristberechnung nach der Änderung der einschlägigen Normen für eine Übergangszeit.[127] Es muss dann durch eindeutige Anweisungen sichergestellt werden, dass die Fristen eingetragen und deren Eintragung kontrolliert wird, wobei insbesondere die Bestimmung klarer Zuständigkeiten zwingend ist. Der Rechtsanwalt hat sich von der gewissenhaften Erfüllung seiner Anweisungen durch regelmäßige stichprobenartige Kontrollen zu überzeugen.[128] Die Anweisungen müssen sich auch darauf beziehen, wann und unter welchen Voraussetzungen die Fristen geändert oder gestrichen werden.[129] Auch muss sichergestellt sein, dass der Rechtsanwalt Kenntnis von gerichtlichen Hinweisen erhält, die Auswirkungen auf den Fristablauf haben können.[130] Vorsorge muss auch für den Fall getroffen werden, dass es zu unerwarteten Störungen im Geschäftsablauf kommt.[131] So muss eine Vertretungsregelung für den Fall existieren, dass die für die Fristenverwaltung primär zuständige Mitarbeiterin kurzfristig erkrankt.

 

Rz. 72

Für die richtige Notierung der Fristen sollte der Rechtsanwalt auf die vom BGH[132] vorgegebene Form abstellen:

Zunächst muss die Frist vom Rechtsanwalt berechnet und verfügt werden.

 

Hinweis

Der Rechtsanwalt darf nur die Berechnung von Routinefristen auf erfahrene Büroangestellte übertragen.[133] Hierzu gehören keine Fristen, deren Berechnung die Beantwortung von Rechtsfragen voraussetzt.

Sodann ist die Frist in einer von den sonstigen Wiedervorlagen deutlich unterscheidbaren Form[134] in den Fristenkalender einzutragen.

 

Hinweis

Die Frist ist dabei zum frühestmöglichen Zeitpunkt und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zur Bestimmung der Frist im Fristenkalender einzutragen.[135]

Die Frist ist anschließend auf den Handakten zu vermerken. Damit ist zugleich festgehalten, dass eine Eintragung in den Fristenkalender erfolgt ist.
Erst wenn durch eine Überwachungsmaßnahme des Rechtsanwalts oder eine entsprechende Mitteilung die Eintragung sichergestellt ist, darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnen.
 

Rz. 73

 

Praxistipp

Auf den vorbezeichneten Ablauf ist auch im Rahmen der Glaubhaftmachung in Form einer eidesstattlichen Versicherung nach § 294 BGB abzustellen.

 

Rz. 74

Die Fristen können dabei auch EDV-gestützt verwaltet werden, sofern die EDV von einer Fachfirma entwickelt wurde, die Fristen einer der manuellen Kalenderführung entsprechenden Überprüfung unterzogen werden können[136] und bei Störungen eine unverzügliche Störungsbeseitigung sichergestellt ist. Erfolgte Löschungen müssen als Streichungen im Programm und seinen Ausdrucken erkennbar bleiben.[137] Ungeachtet dessen ist die Überprüfung anhand von Ausdrucken geboten.[138]

 

Rz. 75

Neben dem Fristende ist auch sicherzustellen, dass jeweils eine Vorfrist von zumindest einer Woche[139] notiert wird, damit für den Rechtsanwalt eine ausreichende Bearbeitungszeit in der Sache verbleibt und auch bei zufälligen Hindernissen noch eine fristgemäße Bearbeitung möglich ist. Dies gilt insbesondere bei Fristen zur Klageerwiderung oder zur Rechtsmittelbegründung.

 

Rz. 76

 

Hinweis

Wird für die Einhaltung einer Notfrist zwar eine Vorfrist und eine Wiedervorlagefrist eingetragen, nicht aber das tatsächliche Ende der Notfrist, kann regelmäßig keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da darin ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten zu sehen ist.[140]

 

Rz. 77

Beachtet werden muss nach der ZPO-Reform, dass mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils nicht nur die Berufungsfrist nach § 517 ZPO, sondern unmittelbar auch die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 ZPO notiert wird. Diese Frist muss nach der Rechtsprechung mit der Vorlage der Handakte zur Berufungsfrist von dem Rechtsanwalt selbst kontrolliert werden.[141]

 

Rz. 78

Wird eine Fristverlängerung beantragt, so muss schon mit der Antragstellung, d.h. organisato...

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