Rz. 51

Der Abstinenzbeleg mittels Haaranalyse ist stärker durch den Klienten organisiert. Er stimmt sich mit der Untersuchungsstelle über die Termine zur Haarentnahme ab. Zudem liegt es in seiner Verantwortung, sich rechtzeitig zur nachfolgenden Haaranalyse bei der Untersuchungsstelle zu melden, da diese im Regelfall keine Listen o.Ä. hierzu vorliegen hat. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass keine Lücken zwischen den einzelnen Belegzeiträumen entstehen (zu späte Abgabe der nachfolgenden Haaranalyse) bzw. sich die Belegzeiträume nicht zu stark überschneiden (zu frühe Abgabe der nachfolgenden Haaranalyse).

 

Rz. 52

Der Belegzeitraum richtet sich bei der Haaranalyse nach der zu untersuchenden Substanz:

bei Alkohol (EtG) maximal drei Monate,
bei Drogen oder Medikamenten maximal sechs Monate.

Eine Untersuchung über diesen Zeitraum hinaus ist nicht zulässig, da es mit der Zeit zu Auswaschungen kommen kann. Dabei wird ein Wachstum von durchschnittlich 1 cm pro Monat angenommen. Daraus folgt, dass für einen Abstinenzbeleg von zwölf Monaten für Drogen oder Medikamente zwei Haarproben im Abstand von sechs Monaten und für Alkohol vier Haarproben im Abstand von je drei Monaten abgegeben werden müssen.

 

Rz. 53

Zu den Voraussetzungen für die Durchführung einer Haaranalyse zählt es, dass die Haare entsprechend der zu untersuchenden Substanz lang genug sein sollten. Zwar kann auch eine Haarprobe von z.B. 1 cm im Labor auf Drogen hin untersucht werden, die Kosten belaufen sich jedoch auf die gleiche Höhe wie für die Testung der maximal zulässigen 6 cm. Daher ist es im Sinne des Klienten, den maximal erlaubten Belegzeitraum auch voll auszuschöpfen.

 

Rz. 54

 

Praxistipp

In der Regel wird eine Haaranalyse mit Kopfhaaren durchgeführt. Da für die Analyse einzelne Haare leider nicht ausreichend sind, müssen mindestens zwei etwa bleistiftstarke Haarsträhnen direkt an der Kopfhaut abgeschnitten werden. Es ist daher empfehlenswert, dass der Klient die Haare länger wachsen lässt, als der maximale Belegzeitraum beträgt. Bei längeren Haaren wird in der Regel das Deckhaar hochgesteckt und das Haar darunter zu Strähnen gebunden und geschnitten. Da das Deckhaar anschließend wieder darüber gelegt wird, ist der Eingriff dann relativ unsichtbar.

 

Rz. 55

Vorsicht ist geboten bei haarkosmetischen Behandlungen. Gesträhntes Haar ist nur zulässig, wenn bei der Haarentnahme zweifelsfrei zwischen behandeltem und unbehandeltem Haar unterschieden werden kann. Gefärbtes (koloriertes) Haar wird für die erste Haaranalyse auf Drogen oder Medikamente akzeptiert, wenn diese durch einen Abstinenzbeleg von mindestens sechs Monaten über Urinscreenings oder eine zweite Haaranalyse mit unbehandelten Haaren ergänzt werden kann. Für den Alkohol-Abstinenzbeleg wird gefärbtes (koloriertes) Haar grundsätzlich nicht anerkannt. Mit gebleichtem Haar ist ein Abstinenzbeleg überhaupt nicht möglich. Wird eine Haarbehandlung im Sinne von Färben, Kolorieren, Bleichen oder Strähnen vom Klienten verschwiegen und erst im Labor erkannt, kann diese Haarprobe entsprechend den vorangegangen Ausführungen nicht als Abstinenzbeleg anerkannt werden.

 

Rz. 56

Grundsätzlich ist auch die Verwendung von Körperhaaren für die Durchführung von Haaranalysen möglich. Hierbei sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten:

Die Körperhaare müssen aus einer Region stammen, d.h. entweder Bein oder Brust oder Schambereich etc.
Es muss eine entsprechende Menge (etwa eine Handvoll) Haare entnommen werden.
Das durchschnittliche Wachstum wird mit 0,6 bis 1 cm pro Monat angenommen.
Der Klient muss vor der Haarentnahme mindestens zwei Jahre abstinent sein, um falsch positive Laborbefunde zu vermeiden. Grund ist das im Vergleich zum Kopfhaar langsamere Wachstum der Körperhaare sowie die andere Zusammensetzung der Haarbüschel. Im Körperhaar befinden sich mehr Haare, die sich in der Katagen- (Stillstandsphase) und Telogenphase (Abstoßungsphase des toten Haares) befinden.
Eine Untersuchung von Achselhaaren auf EtG ist wegen der Auswaschung durch Schweiß grundsätzlich nicht zulässig.
 

Rz. 57

Der Vorteil der Haaranalyse ist auch gleichzeitig ihr größter Nachteil: die Retrospektive. In einer heute abgegebenen Haaranalyse kann – bei entsprechender Länge der Haare – eine Untersuchung auf EtG für die letzten drei Monate und auf Drogen/Medikamente für die letzten sechs Monate rückwirkend durchgeführt werden. Dies stellt also im Vergleich zu den Urinscreenings einen großen Zeitgewinn dar. Gleichzeitig muss der Klient sich jedoch der Tatsache bewusst sein, dass er – je nach Konsumhäufigkeit und Konsummenge – noch vor dem Beginn des Belegzeitraums mindestens drei bis sechs Monate abstinent gelebt haben sollte, um ein falsch positives Laborergebnis zu vermeiden (siehe Abbildung 20.2). Das bedeutet, dass ein Klient, der heute eine Haarprobe zur Untersuchung auf Drogen abgibt, seit mindestens neun (besser zwölf) Monaten abstinent sein sollte. Bei der Untersuchung von Körperhaaren ist sogar eine Abstinenz von zwei Jahre...

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