Rz. 30

Haftungsausschlüsse oder Haftungsbegrenzungen können auch stillschweigend/konkludent vereinbart werden. Ihr Anwendungsbereich ist auf Fälle der Gefährdungshaftung und einfacher Fahrlässigkeit beschränkt. Ein Haftungsverzicht für grobe Fahrlässigkeit erfordert eine ausdrückliche Abrede.[52] Die Rechtsprechung ist mit der Annahme stillschweigender Haftungsausschlüsse mit Recht zurückhaltend.[53] Aus der Mitnahme von Personen im Kraftfahrzeug aus Gefälligkeit kann nicht auf einen Haftungsverzicht geschlossen werden (dazu unten Rdn 37). Freundschaftliche, eheliche, lebenspartnerschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Insassen und Halter oder Fahrer sind keine Umstände, die bei einer Gefälligkeitsfahrt ohne sonstige besondere Umstände zur Annahme eines stillschweigenden Haftungsverzichtes führen. Der früher geregelte Risikoausschluss in der Haftpflichtversicherung für Ansprüche von Angehörigen (§ 11 Nr. 4 AKB a.F.: "Angehörigenklausel") besteht seit 1.1.1977 nicht mehr. Bei der Überlassung eines fremden Pkw zu häufiger Eigenbenutzung ist ein stillschweigender Haftungsausschluss für einfache oder leichte Fahrlässigkeit nur unter besonderen Umständen anzunehmen, und zwar auch, wenn die Unfallfahrt selbst allein dem Interesse des Kraftfahrzeug-Halters und seiner Tochter gilt.[54]

 

Rz. 31

Im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB darf eine stillschweigende Haftungsbeschränkung nur ganz ausnahmsweise angenommen werden, weil sie eine künstliche Rechtskonstruktion aufgrund einer Willensfiktion darstellt.[55] Dazu ist grundsätzlich Geschäftsfähigkeit der Parteien erforderlich. Bei einem minderjährigen Verletzten ist daher die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich. Die Annahme einer Haftungsbeschränkung im Wege ergänzender Vertragsauslegung kommt nur in Betracht, wenn feststeht, dass der Schädiger, wenn die Rechtslage vorher besprochen worden wäre, einen Haftungsausschluss gefordert hätte und der Geschädigte diesen billigerweise nicht hätte ablehnen dürfen; in diesem Zusammenhang sind unter anderem die versicherungsrechtlichen Gegebenheiten von wesentlicher Bedeutung: Das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes für den Schädiger spricht regelmäßig gegen eine Haftungsbeschränkung.[56]

 

Rz. 32

Ein Haftungsverzicht, der nicht den Schädiger, sondern nur dessen Versicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Parteiwillen. Andererseits kann es für einen Haftungsausschluss sprechen, dass der Geschädigte durch eine Versicherung geschützt ist oder geschützt sein könnte, während umgekehrt für den Schädiger diese Möglichkeit nicht bestand. Bejaht wurde ein stillschweigender Haftungsausschluss zugunsten des Kraftfahrzeug-Mieters und des berechtigten Fahrers, wenn die Kaskoversicherungsprämie offen abgewälzt oder auf das Bestehen einer Kaskoversicherung hingewiesen wurde. Ein Haftungsverzicht für alle leicht fahrlässig verursachten Schäden im Wege ergänzender Vertragsauslegung wurde bei Fahrten eines Fahrschülers mit dem Fahrschulwagen angenommen.[57] Entsprechend auch bei unentgeltlicher Mithilfe bei gefahrenträchtigen Angelegenheiten anderer wie z.B. der Mithilfe an Umzügen.[58]

 

Rz. 33

Bei Gefälligkeitsfahrten haftet der Kraftfahrer grundsätzlich für jede Fahrlässigkeit. Da unter Gefälligkeit die Gewährung von Dienstleistungen oder sonstigen Vorteilen verstanden wird, die unentgeltlich geleistet werden und auf die der Leistungsempfänger keinen Anspruch hat, kommt als Anspruchsgrundlage in erster Linie § 823 BGB in Betracht. Vertragliche Ansprüche scheiden in der Regel aus, weil es an einem entsprechenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen fehlt. Unentgeltlichkeit und der mit einer Gefälligkeit verbundene Altruismus lassen für sich allein die Geltendmachung von Ansprüchen auch nicht als treuwidrig oder gar als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB erscheinen. Dazu bedarf es weiterer, besonderer Umstände, die im Einzelfall dem Schadensersatzbegehren des Geschädigten ein treuwidriges Gepräge geben. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Gewährung der Gefälligkeit in besonderem Interesse des Geschädigten lag und dieser sich deshalb einem ausdrücklichen Ansinnen eines Haftungsverzichtes, wäre es an ihn gestellt worden, billigerweise nicht hätte verschließen können.[59]

 

Rz. 34

Eine solche Haftungsbeschränkung wurde auch dann als stillschweigend vereinbart angesehen, wenn der Fahrer uneigennützig eine Personengruppe auf einem von einem Traktor gezogenen Anhänger zu einer Festtagsveranstaltung befördert[60] oder auf Wunsch eines angetrunkenen oder verletzten Fahrzeugführers das Steuer übernimmt.[61] Eine derartige Haftungsbeschränkung wurde ferner in einem Fall bejaht, in dem ein Mitreisender auf Wunsch des Veranstalters einer Jeep-Safari das Steuer eines Fahrzeugs übernahm.[62] Insgesamt tendiert die Rechtsprechung zunehmend zu Recht dahin, einen Haftungsausschluss nur ausnahmsweise anzunehmen.[63] Im Übrigen gelten bei einer Gefälligkeitsf...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge