A. Anwaltsvertrag, Auftragserteilung und Vollmacht

 

Rz. 1

Was dem Zahnarzt seine (eigenen schlechten) Zähne, sind nicht selten dem Rechtsanwalt seine eigenen Vertragsbeziehungen zum Mandanten. So oder ähnlich überspitzt umschrieben, könnte man das Dilemma bezeichnen, in welchem sich der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt der Mandatsanbahnung befindet. Teils aus Zeitnot, teils aus Angst den Mandanten zu verprellen, manchmal auch aus Unkenntnis über den Gegenstand des Anwaltsvertrages wird oft erst spät im Zusammenhang mit Vergütungsprozessen oder Haftungsfragen der Gegenstand des Anwaltsvertrages reflektiert. Formularmäßige Vereinbarungen im Anwaltsvertrag sind wenig verbreitet. "Nicht alles geht, was Anwälte wünschen – und doch: Es geht mehr, als viele denken."[1]

 

Rz. 2

Der Anwaltsvertrag stellt regelmäßig einen Geschäftsbesorgungsvertrag[2] nach §§ 675, 611 ff. BGB dar. Fast immer wird die Auftragserteilung durch den Mandanten nicht schriftlich formuliert. In der teilweise irrigen Annahme, die schriftliche Bevollmächtigung auf dem gängigen Vollmachtsformular ersetze den Auftrag, wird übersehen, dass die lediglich das Außenverhältnis regelnde Vollmacht allenfalls ein Indiz für die Auftragserteilung darstellen kann, welches durch schlüssiges Bestreiten des Mandanten entkräftet werden kann. So beispielsweise, wenn der Mandant behauptet, dem Anwalt überhaupt keinen Auftrag, keinen Auftrag zur Klageerhebung oder zumindest nicht in der geltend gemachten Höhe erteilt zu haben. Bestreitet die Partei das Zustandekommen eines Anwaltsvertrages, trägt der Rechtsanwalt nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für das Zustandekommen des Vertrages.[3]

 

Rz. 3

Dafür reicht die entfaltete anwaltliche Tätigkeit des Rechtsanwalts zum Nachweis der Auftragserteilung nicht aus, auch wenn dies zunächst absurd klingen mag. Da der Anwaltsvertrag zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich keiner Form bedarf, kann er auch durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien zustande kommen.[4] Darin liegt aber auch das Problem, weil im Interesse der Rechtssicherheit an die Annahme des Vertragsabschlusses durch schlüssiges Verhalten erhöhte Anforderungen zu stellen sind.[5]

 

Rz. 4

Gar nicht selten nämlich behaupten die auf Zahlung der Rechtsanwaltsvergütung in Anspruch genommenen Mandanten, den Anwalt gar nicht mit der von ihm vorgenommenen Prozesshandlung beauftragt oder anwaltlichen Rat gesucht zu haben. In einem vom BGH[6] entschiedenen Fall unterlag der klagende Anwalt, weil es ihm nicht gelang, die Auftragserteilung nachzuweisen. Nachteilige Folgen kann es insoweit auch haben, wenn die Vollmacht von dem Mandanten – wie so oft – als sogenannte Blankovollmacht unterzeichnet wird und dieser dann später behauptet, die Vollmacht sei erst zu einem späteren Zeitpunkt mit einem nicht gewollten Inhalt durch den Rechtsanwalt versehen worden.

 

Rz. 5

Zudem muten die üblichen anwaltlichen Vollmachtsformulare in ihrer Rechtsarchitektur wie die neun Schichten von Troja an, bei der man fein ausgraben muss, um den Gegenstand und den Umfang der Bevollmächtigung zu erkennen. Oft vergehen Jahre, bis der Verwender der Urkunde selbst Kenntnis von dem Inhalt der Vollmacht nimmt. Das Phänomen ist nicht ungewöhnlich.

 

Rz. 6

Bei der anwaltlichen Vollmachtsurkunde handelt es sich regelmäßig lediglich um ein Legitimationspapier, welches die Bevollmächtigung des Berufsträgers nach außen hin dokumentiert. Üblicherweise wird die Bevollmächtigung des Mandanten mittels der vorgelegten Vollmachtsurkunde schriftlich dokumentiert. Zwar ist die Vollmacht nicht an eine Form gebunden, sie muss jedoch eindeutig sein. Gewöhnlich finden sich in der Praxis Vollmachtsformulare, die mit "Verteidigervollmacht", "Außergerichtliche Vollmacht" oder "Prozessvollmacht" o.Ä. übertitelt werden, ohne den Gegenstand und den Umfang der vorgelegten Vollmacht zu reflektieren oder konkret zu bezeichnen.

 

Rz. 7

In der teilweise irrigen Annahme, die mündliche Bevollmächtigung stelle eine ausreichende Bevollmächtigung dar, wird übersehen, dass die Vollmachtsurkunde gerade das Außenverhältnis regeln soll. Bestreitet der Gegner eine wirksame Bevollmächtigung im Allgemeinen oder die Geldempfangsvollmacht oder die Zustellungsvollmacht im Besonderen, trägt der Rechtsanwalt, wie bereits erwähnt, nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für seine Bevollmächtigung.[7]

 

Rz. 8

Daher ist es ratsam, sich von dem Mandanten neben der Vollmacht auch immer einen schriftlichen Auftrag erteilen zu lassen, welcher nach Erörterung mit dem Mandanten unmissverständlich Gegenstand, Umfang und Wert des Auftrages näher bestimmt. Eine präzise Umschreibung wie "Außergerichtliche Geltendmachung von Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüchen aus dem Unfallereignis v. (…) in Höhe von (…)" oder "wegen der gerichtlichen Durchsetzung der Forderung aus dem Darlehensvertrag v. (…) in Höhe von (…)" bezeichnen den Auftragsgegenstand deutlicher als eine wenig aussagekräftige und oft anzutreffende Formulierung wie beispielsweise: "wegen Verkehrsunfall v. (…)".[8]

 

Rz. 9

Das OLG Düsseldorf[9] führt hierzu w...

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