A. Vorbemerkung

 

Rz. 1

Die Kapitalabfindung ansonsten zu verrentender Forderungen des Verletzten oder eines Ersatzgläubigers (z.B. Abtretungsgläubiger, Drittleistungsträger[1]) erfolgt regelmäßig im Vergleichswege, häufig verbunden mit einem Abfindungsvertrag. Auch andere, nicht mit (pseudo-)mathematischer Exaktheit gefundene Schadenforderungen (z.B. Einmal-Aufwendungen) und ersatzrechtliche Probleme können im Wege gerichtlicher, vorwiegend aber außergerichtlicher Einigung erledigt werden: Die Grundsätze der Vertragsfreiheit bieten den Raum für entsprechende Lösungen; letztlich lassen sich alle ersatzrechtlichen, aber auch tatsächlichen Probleme und Fragen im Vergleichswege lösen.

 

Rz. 2

Die folgenden Worte von Prof. Willi Geiger (Bundesverfassungsrichter a.D.) haben nach wie vor an Aussagekraft nichts verloren; im Gegenteil, sie gelten inhaltlich vielmehr sogar verstärkt fort:[2]

Zitat

In Anbetracht der Unmenge und der kaum noch durchschaubaren Kompliziertheit der Regelungen, die der Gesetzgeber, man ist versucht zu sagen, fabriziert hat und täglich fabriziert, wird der Bürger in seinen Erwartungen an das Gericht bescheidener werden müssen.

Es ist für die unmittelbar Beteiligten objektiv nicht mehr möglich, den Ausgang eines Rechtsstreits zu kalkulieren. Da wird nicht nur mit der Beweislast immer raffinierter umgegangen, da wird auch überall und in den überraschendsten Kombinationen abgewogen, da gibt es Ausnahmen von der Regel zuhauf, da wird dem einen zugemutet, was dem anderen unzumutbar ist.

Ich wage nach einem langen Berufsleben in der Justiz, wenn ich gefragt werde, den Ausgang eines Prozesses nur noch nach dem im ganzen System angelegten Grundsatz vorauszusagen: Nach der Regel müsste er so entschieden werden; aber nach einer der vielen unbestimmten Ausnahmen und Einschränkungen, die das Recht kennt, kann er auch anders entschieden werden. Das genaue Ergebnis ist schlechthin unberechenbar geworden.

Allenfalls kann man mit einiger Sicherheit sagen: Wenn du meinst, du bekommst alles, was dir nach deiner Überzeugung zusteht, irrst du dich.

Ein der Entlastung der Gerichte dienlicher Rat könnte bei dieser Lage der Dinge sein: Führe möglichst keinen Prozess; der außergerichtliche Vergleich oder das Knobeln erledigt den Streit allemal rascher, billiger und im Zweifel ebenso gerecht wie ein Urteil.

Das heißt in allem Ernst: Unter den in der Bundesrepublik Deutschland obwaltenden Verhältnissen von den Gerichten Gerechtigkeit zu fordern, ist illusionär.

 

Rz. 3

Es gilt anzumerken, dass nicht jeder, der "sein Recht" und "all das, was ihm zusteht" bekommt, deswegen auch finanziell besser dasteht. Nicht alles, was im Rahmen außergerichtlicher Regulierung "zu unrecht" doch "um des lieben Friedens willen" bezahlt wird, wäre – dann juristisch korrekt – auch gerichtlich durchsetzbar. Dies gilt nicht zuletzt für (juristisch nicht ersatzfähige) mittelbare Schäden von Angehörigen.

 

Rz. 4

Wie formulierte es schon Ambrose Bierce:

Zitat

Geschworene sind mehrere von einem Gericht benannte Personen, die den Rechtsanwälten helfen, das Recht nicht in Gerechtigkeit ausarten zu lassen.

oder

Zitat

Ein magerer Kompromiss ist besser als ein dicker Prozess.

George Herbert

oder

Zitat

Nicht nur edel ist es, bisweilen von seinem Recht abzustehen, sondern manchmal auch vorteilhaft.

Cicero

[1] Vor allem SVT.
[2] Geiger, Die Rolle des Richters unter den gegenwärtigen Bedingungen unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie, DRiZ 1982, 321 (325).

B. Vor dem Vergleich

 

Rz. 5

Die auf einen – vor allem außergerichtlich angestrebten – (Teil-)Abschluss ausgerichtete Regulierung eines Haftpflichtschadens gliedert sich (vergröbert betrachtet) in folgende Phasen:

 

Rz. 6

Abbildung 2.1: Regulierungsphasen

 

Rz. 7

Zum Verhältnis gerichtliche und außergerichtliche Schadenregulierung siehe § 6 Rdn 150 ff.

 

Rz. 8

Die Regulierung wird auf Seiten beteiligter Versicherer von der Reserve (Schadenrückstellung) begleitet. Schadenabwicklung (in ihrem jeweiligen Rechts- und Erkenntnisstand) und Schadenrückstellung korrespondieren miteinander, d.h. u.a. sind Zahlungen (vor allem Vorschüsse und Teilregulierungen) zu berücksichtigen und veränderte Informationsstände abzubilden.

 

Rz. 9

Bis zum Abschluss stehen im Vordergrund die

Sachverhaltsaufbereitung (Feststellungsphase) und
Befriedigung zwischenzeitlich entstandener und entstehender Forderungen (Regulierungsphase).
 

Rz. 10

Für die Regulierungsphase gilt:

Zitat

Es ist eine alte Sache: Eine persönliche Besprechung führt weiter als drei Jahre Verhandlung.

Otto Flake

 

Rz. 11

Der Abschluss erfolgt dann

außergerichtlich i.d.R. durch Abrechnung oder Vergleich,
kann aber auch in der Klaglosstellung liegen.
Eine Klage kann dann, wird nicht vor Gericht ein Vergleich geschlossen, in einem abweisenden Urteil oder einer grundsätzlichen Feststellung der Ersatzpflicht, in einzelnen Zahlungstiteln bzw. in einer Verpflichtung zur Rentenzahlung enden.

I. Schadenabwicklung

1. Aktive Schadenregulierung

 

Rz. 12

Gerade bei der Abwicklung von schwerwiegenden Schadenfällen mit Kindern und Jugendlichen kommt dem Schlagwort der "aktiven Schadenregulier...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge