Rz. 1169

Für die Antwort auf die Frage, ob und in welchem Umfang ein Schadensersatzverpflichteter die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten[1058] (Rechtsanwaltsgebühren) des Geschädigten zu zahlen hat, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zum für ihn tätigen Rechtsanwalt (Mandatsverhältnis) einerseits und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger (Schadenersatzverhältnis) andererseits zu unterscheiden.[1059] Der Geschädigte muss im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sein.[1060]

[1058] Grundsätzlich zur Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren: BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 396/13 – MDR 2014, 864 = NJW-RR 2014, 1341 = NZV 2014, 567 = VersR 2014, 1100.; BGH v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94 – DAR 1995, 67 = MDR 1995, 150 = NJW 1995, 446 = NZV 1995, 103 = r+s 1995, 99 = SP 1995, 96 = VersR 1995, 183 = zfs 1995, 48, 61. Siehe Jahnke jurisPR-VerkR 4/2012 Anm. 1 (zu BGH v. 13.12.2011 – VI ZR 274/10).
[1059] Siehe grundlegend BGH v. 14.6.2017 – I ZB 1/17 – BeckRS 2017, 126756; BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 396/13 – MDR 2014, 864 = NJW-RR 2014, 1341 = NZV 2014, 567 = VersR 2014, 1100; BGH v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06 – zfs 2008, 164 (Anm. Hansens); BGH v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04 – FamRZ 2005, 689 (nur Ls.) = MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 = NZV 2005, 252 = SP 2005, 250 = VersR 2005, 558 = VRS 108, 334; BGH v. 1.10.1968 – VI ZR 159/67 – AnwBl 1969, 15 = MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145.
[1060] BGH v. 21.6.2011 – VI ZR 73/10 – FamRZ 2011, 1294 (nur Ls.) = MDR 2011, 949; BGH v. 1.3.2011 – VI ZR 127/10 – DB 2011, 8 = GRUR-RR 2011, 389 = NJW 2011, 2591 = Rpfleger 2011, 401; BGH v. 19.10.2010 – VI ZR 237/09 – ags 2010, 590 = BRAK-Mitt 2011, 40 = JurBüro 2011, 82 = NJW 2011, 155 = Rpfleger 2011, 235 = WRP 2011, 79; BGH v. 5.10.2010 – VI ZR 152/09 – ags 2010, 587 = MDR 2010, 1492 = NJW 2011, 782 = Rpfleger 2011, 237; BGH v. 3.8.2010 – VI ZR 113/09 – MDR 2010, 1155 = NJW 2010, 3037 = VersR 2011, 896; BGH v. 27.7.2010 – VI ZR 261/09 – MDR 2010, 1156 = NJW 2010, 3035 = VersR 2011, 771; BGH v. 26.5.2009 – VI ZR 174/08 – BGHReport 2009, 960 = MDR 2009, 1073 = NJW-RR 2010, 428 = VersR 2009, 1269; BGH v. 4.12.2007 – VI ZR 277/06 – BGHReport 2008, 412 = GRUR 2008, 367 = NJW-RR 2008, 656 = VersR 2008, 413 = WRP 2008, 364.

1. Fragestellung

 

Rz. 1170

Die juristische Antwort resultiert aus zwei Teilfragen:

Frage 1: Entsteht im Innenverhältnis zum Mandanten überhaupt eine anwaltliche Gebühr?

Wenn bereits keine Gebühr entsteht, stellt sich gar nicht erst die daran anschließende weitere Frage, ob insofern dann auch ein Erstattungsanspruch gegen einen Dritten besteht.

Frage 2: Ist eine im Mandatsverhältnis entstandene Gebühr im Außenverhältnis vom Schädiger (bzw. dessen Haftpflichtversicherung) dann auch zu erstatten?

Hinzuweisen ist darauf, dass die Bejahung der Frage 1 nicht schon die (ganz oder teilweise) Bejahung der Frage 2 impliziert oder indiziert.

2. Mandatsverhältnis (Innenverhältnis)

 

Rz. 1171

Zum Ersten muss die Gebühr im (Mandats-)Verhältnis Rechtsanwalt – Mandant überhaupt angefallen und vom Mandanten seinem Anwalt geschuldet sein (= Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 23, 118 BRAGO [Altfall] bzw. der Nachfolgeregeln von RVG und RVG-VV).[1061] Dieses ist vorwiegend eine gebührenrechtliche Frage, die nach den Vorschriften von BRAGO und RVG zu beantworten ist.

 

Rz. 1172

Der Anwalt hat seinen Mandanten über die bei ihm entstehenden Gebühren zu belehren.[1062] Der Anwalt ist nach § 49b Abs. 5 BRAO verpflichtet, seinen Mandanten auf die Höhe der der durch seine Inanspruchnahme entstehenden Kosten hinzuweisen, wenn diese sich nach dem Gegenstandswert richten.[1063] Eine Aufklärungspflicht kann sich darüber hinaus im Einzelfall aus Treu und Glauben ergeben.[1064] Der Mandant hat darzulegen und zu beweisen, dass der Anwalt ihn nicht belehrt hat und ihm sodann aus dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht ein Schaden entstanden ist.[1065]

[1061] BGH v. 1.10.1968 – VI ZR 159/67 – AnwBl 1969, 15 = MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145.
[1062] Zu den Belehrungspflichten eines Rechtsanwalts bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs über die Vergütung geleisteter Dienste siehe BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 291/14 – MDR 2016, 1235 = NJW 2016, 3430 = NZS 2016, 920 = VersR 2017, 487 = ZIP 2016, 1834.
[1063] BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 89/06 – ags 2007, 386 (Anm. Schons) = AnwBl 2007, 628 = BRAK-Mitt 2007, 175 (Anm. Grams) = DB 2007, 1639 (nur Ls.) = FamRZ 2007, 1322 = JurBüro 2007, 479 (Anm. Enders) = MDR 2007, 1046 = NJW 2007, 2332 = NJW-Spezial 2007, 382 = VersR 2007, 1377 = WM 2007, 1390 = zfs 2007, 465 (Anm. Hansens) (Weist Anwalt vor Übernahme des Auftrages nicht darauf hin, dass sich die für seine Tätigkeit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, ist er seinem Mandanten zum Ersatz des hieraus entstehen...

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