Rz. 676
Verdienstausfall des unmittelbar Verletzten und Unterhaltsschäden (aber auch Beerdigungskosten und entgangene Dienste) seiner Hinterbliebenen sind zwei verschiedene, von einander getrennt zu betrachtende Schadenersatzpositionen, die zudem zwei verschiedenen Rechtspersonen zustehen. Daher ist auch der Forderungsübergang differenziert zu betrachten:
▪ | Der Verdienstausfallschaden leitet sich vom unmittelbar Verletzten ab, |
▪ | der Unterhaltsschaden vom Hinterbliebenen und die Beerdigungskosten vom Erben. |
Rz. 677
Bei Abfindungsverhandlungen mit einem Schwerverletzten muss abgewogen werden, ob dieser unfallkausal vorzeitig verstirbt und danach seinen Hinterbliebenen einen Unterhaltsschadensersatzanspruch eröffnet. Ein Vergleich, der nur mit dem unmittelbar Verletzten geschlossen wird, betrifft nicht automatisch zugleich auch die Ersatzansprüche der mittelbar Geschädigten, wenn und soweit diesen eigene Ersatzansprüche zugewiesen sind (Beerdigungskosten, Hinterbliebenengeld, Unterhaltsschaden,[549] entgangene Dienste, §§ 844, 845 BGB). Diese Drittansprüche entstehen bereits mit der Verletzung des Unterhalts- bzw. Dienstpflichtigen.[550]
Rz. 678
Eine Nachforderung seitens der Hinterbliebenen erledigt sich i.d.R. nicht schon allein wegen Zeitablaufes (Verjährungseinwand). Weil der Tod als weitere Schadensfolge zunächst noch ungewiss ist, kann die Verjährung des Anspruches aus § 844 BGB erst mit dem Tod zu laufen beginnen.[551]
Rz. 679
Beispiel 2.3
A verunfallt am 10.3.2015. Sachschäden, Schmerzensgeld und weitere materielle Ansprüche sind erledigt. Die Verdienstausfallansprüche des A werden am 25.7.2017 durch vorbehaltlose Abfindungserklärung auch hinsichtlich künftiger Einbußen abgefunden.
Aufgrund einer vom Schädiger zu verantwortenden gesundheitlichen Komplikation verstirbt A am 10.12.2017. A hinterlässt die Witwe W und den minderjährigen Waisen K.
Ergebnis:
1. | W und K können Beerdigungskosten und Unterhaltsschäden geltend machen. Die Abfindung der Ansprüche des A berührt die Ansprüche der Hinterbliebenen nicht. |
2. | Erledigt sind allerdings durch die Abfindung mit A diejenigen Ansprüche, die in der Person des A unmittelbar entstanden sind (Schmerzensgeldgeld, Kfz-Schaden, Verdienstausfall). Hier konnte A eine Rechtsposition nicht mehr vererben; er hatte diese Rechtsposition bereits zu seinen Lebzeiten durch Abfindungsvergleich verloren. |
Rz. 680
Werden insbesondere erhebliche künftige Verdienstausfallansprüche kapitalisiert, sollte klargestellt werden, dass – wenn eine wesentliche Vorversterblichkeit nicht einbezogen ist – auch etwaige Unterhaltsansprüche Dritter erledigt sind. Diese Ansprüche von Dritten können mit in die Abfindungsverhandlungen einbezogen werden. Der unmittelbar Verletzte kann entweder Verzichtserklärungen dieser Dritten beibringen oder aber diese veranlassen, dem Vergleich beizutreten.
Rz. 681
Grundsätzlich ist der Zufluss der Erbmasse kein auf den Schaden der Unterhaltsberechtigten anzurechnender Vermögensvorteil. Anderes gilt aber, wenn die Quelle des Unterhalts nicht gewechselt hat.[552] Soweit Erträgnisse (z.B. Aktiendepot, Bauernhof, Erwerbsgeschäft, Mieteinkünfte, Zinsen) aus dem ererbten Vermögen bereits vor dem Schadensereignis dem Familienunterhalt zur Verfügung standen, sind sie insoweit auf den wegen des Todes verlangten Schaden zu verrechnen (Quellentheorie).[553] Wurde vor dem Tod der Familienunterhalt ganz oder teilweise aus dem mit dem unfallverletzten (und später dann verstorbenen) Anspruchsteller kapitalisierten Abfindungsbetrag, erfolgt ein entsprechender Vorteilsausgleich.
Rz. 682
Die Problematik stellt sich parallel bei der Abfindung von Drittleistungsträgern, wenn diese später unfallkausal Hinterbliebenenleistungen erbringen.
Rz. 683
In Betracht kommt folgende Formulierung[554] (Die Variablen sind in Klammer < … > gesetzt):
Rz. 684
Übersicht 2.17: Einbindung Dritter in den Abfindungsvergleich
Die Rechtswirksamkeit des Vergleiches ist davon abhängig, dass der <Anspruchsteller/Kläger> binnen <einer Woche> eine Erklärung folgender unterhalts
und dienstberechtigten Personen <Hannelore Müller, Bahnhofstr. 12, 12345 Glücksburg; Peter Müller, Bahnhofstrasse 12, 12345 Glücksburg>[555] beibringt, dass auch sie gegenüber den <Schadenersatzverpflichteten/Beklagten> auf ihre etwaigen Ansprüche verzichten und an die <Ersatzpflichtigen/Beklagten> ihre etwaigen Ansprüche gegen dritte Personen abtreten.
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