aa) Unfalltag bis 30.6.1983

 

Rz. 1020

 

Hinweis

Siehe auch Rdn 1041.

 

Rz. 1021

Bei Unfällen bis 30.6.1983 (Unfalltag) gilt weiterhin bis zur abschließenden Erledigung dieser Fälle § 127 AFG a.F. (Arbeitsagentur) bzw. § 90 BSHG a.F. (SHT).

(1) Sozialamt

 

Rz. 1022

Auf Schadenfälle vor dem 1.7.1983 (Unfalltag) ist für Regresse des SHT bis zum Fallabschluss § 90 BSHG a.F. anzuwenden.[885]

 

Rz. 1023

Der Forderungsübergang nach § 90 BSHG a.F. vollzieht sich erst mit Zustellung der Überleitungsanzeige, die dann grundsätzlich auch Wirkung für künftige Ansprüche hat.[886] Nach § 90 Abs. 2 BSHG bewirkt die schriftliche Anzeige den Übergang des Anspruchs für die Zeit, für die dem Hilfeempfänger die Hilfe ohne Unterbrechung (als Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als 2 Monaten) gewährt wird. Wird die Hilfe unterbrochen, fällt der Anspruch auf den Verletzten zurück und muss erneut übergeleitet werden, sofern der SHT für spätere Aufwendungen dann Regress nehmen will.

[885] Siehe zu § 90 BSHG a.F.: BGH v. 13.7.2004 – VI ZR 273/03 – FamRZ 2004, 1569 = MDR 2005, 34 = NJW 2004, 3176 = NZV 2004, 625 (nur Ls.) = SP 2004, 370 = VersR 2004, 126 (Der SHT kann den auf Ersatz des Unterhaltsaufwandes für ein Kind gerichteten Schadensersatzanspruch der Mutter gegen den Arzt [vgl. BGHZ 86, 240 ff.] auch auf sich überleiten, wenn die Mutter nicht wirtschaftlich leistungsfähig ist); BGH v. 13.2.1996 – VI ZR 318/94 – BGHZ 132, 39 = DAR 1996, 357 = JR 1996, 505 (Anm. Fuchs) = LM BGB § 844 Abs. 2, Nr. 93 = MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = NVwZ 1996, 824 = NZV 1996, 229 = r+s 1996, 311 = SGb 1996, 328 = SP 1996, 168 = VersR 1996, 649 = VRS 91, 267. Becker/Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 19. Aufl. 1994, Rn F 71 ff.; Jahnke/Burmann-Jahnke/Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn 3440 ff.
[886] BGH v. 4.11.1975 – VI ZR 217/73 – VersR 1976, 291; LG Stuttgart v. 25.11.1975 – 9 O 429/74 – VersR 1977, 93; Becker/Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 15. Aufl. 1983, Rn 769; Wussow/Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 3. Aufl. 1981, Rn 482.

(2) Arbeitsverwaltung

 

Rz. 1024

Der Forderungsübergang auf die Arbeitsverwaltung (§ 127 AFG a.F.) erfolgt erst mit Bewilligung der Leistung (z.B. Gewährung von ALG oder Umschulung) und auch nur im Umfang der jeweiligen Bewilligung.[887] Das gilt auch für Leistungen nach den Folgevorschriften des AFG im SGB III[888] und SGB II, soweit Unfälle abzuwickeln sind, die sich vor dem 1.7.1983 ereigneten.

[887] BGH v. 14.2.1984 – VI ZR 160/82 – MDR 1984, 832 = NZA 1984, 104 = VersR 1984, 482; BGH v. 23.3.1982 – VI ZR 293/80 – BGHZ 83, 245 = MDR 1982, 570 = NJW 1982, 1763 = VersR 1982, 646; Jahnke/Burmann-Jahnke/Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn 3364 ff.
[888] Das AFG wurden m.W.v. 1.1.1998 durch das SGB III abgelöst.

bb) Unfalltag ab 1.7.1983

 

Rz. 1025

Da der Forderungsübergang auf Arbeitsverwaltung und SHT in Schadenfälle ab dem 1.7.1983 zu einem Zeitpunkt erfolgt, den in der täglichen Praxis kaum jemand voraussehen kann ("Orakel"), ist die außergerichtliche Regulierung von Unfallschäden für den Schadenersatzleistenden mit einem erheblichem Risiko behaftet, wenn beide Parteien (Verletzter, Ersatzpflichtiger) eine in die Zukunft gerichtete Erledigung gemeinsam anstreben oder der Verletzte auf einer Kapitalisierung besteht.

 

Rz. 1026

Hervorzuheben ist eine Besonderheit für diejenigen Leistungsträger, deren Sozialleistungen eben nicht an das Vorbestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses anknüpfen (wie Arbeitsverwaltung und Sozialamt). Der Forderungsübergang findet dann statt, wenn und soweit infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte künftige Sozialleistungen (z.B. Rehabilitationsmaßnahmen) ernsthaft in Betracht kommen.

(1) Sozialhilfe

(a) Forderungsübergang

 

Rz. 1027

Verdienstausfallansprüche (oder andere in regelmäßig wiederkehrender Höhe zu entrichtende Rentenbeträge), die einem Verletzten für die Zukunft zustehen, müssen ihm ohne Berücksichtigung etwaiger Sozialhilfeansprüche zuerkannt werden.[889] Im Hinblick auf den Subsidiaritätscharakter der Sozialhilfe muss ein Geschädigter seinen Lebensbedarf zunächst aus dem Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger decken, bevor er auf die Sozialhilfe zurückgreifen kann.

 

Rz. 1028

Der Forderungsübergang auf den SHT erfolgt bereits, sobald infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, insbesondere auch für eine Bedürftigkeit des Verletzten, mit der Leistungspflicht eines SHT zu rechnen ist. Erforderlich für den Rechtsübergang ist also, dass nach den konkreten Einzelfallumständen Sozialleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind.[890] Zugleich hat der BGH[891] den Schutz des Schadenersatzverpflichteten nach §§ 407 Abs. 1, 412 BGB (gutgläubige Leistung an einen Nichtberechtigten) drastisch eingeschränkt: An die Kenntnis des Forderungsüberganges seien "nur maßvolle Anforderungen zu stellen, um den Schutz der sozialen Leistungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubiger unterlaufen zu können".

 

Rz. 1029

Unterfällt der Schadenfall der Zuständigkeit eines UV...

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