aa) Grundsatz

 

Rz. 49

Für die Schadenregulierung – und damit insbesondere für die Forderungsberechtigung (Aktivlegitima­tion) – ist festzustellen,

welche Ansprüche
zu welchem Zeitpunkt

welcher Person

d.h., dem unmittelbar Verletzten (bei Tötung seinen Hinterbliebenen) oder
einem anderem Forderungsberechtigten, der seine Rechte von diesem ableitet (z.B. Legalzession, Abtretung, Pfändung),
in welcher Höhe
für welchen Zeitraum

zustehen.

 

Rz. 50

Wer noch nicht in ein Versorgungssystem als Versicherter oder mitversicherte Person eingebunden ist bzw. war, bleibt dann auch häufig noch länger Inhaber derjenigen Schadenpositionen, zu denen dann zu späteren Zeitpunkten Drittleistungsträger kongruente Leistungen erbringen.[23] Es ist daher stets zu schauen, in welches Versorgungssystem der Verletzte/Getötete im Unfallzeitpunkt eingebettet war und welche Veränderungen sich bis zum Zeitpunkt einer Abfindung ergaben. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Unfall von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Beamten.

[23] Ausführlich Jahnke jurisPR-VerkR 16/2008 Anm. 5 (Anm. zu LG Gera v. 19.6.2008 – 6 O 1457/07).

bb) Prüfung

 

Rz. 51

Anlässlich eines Schadenfalles erbringen neben dem Ersatzpflichtigen häufig auch Dritte (wie Kaskoversicherung, Sozialversicherung, Arbeitgeber) Leistungen, wobei die Leistungsverpflichtung dann häufig mit einem Wechsel der Forderungsberechtigung einhergeht. Es ist regelmäßig darauf zu achten, ob der Direktgeschädigte hinsichtlich derjenigen Forderungsposition, die er selbst und unmittelbar vom Schädiger einfordert, noch forderungsberechtigt oder ob die zugrundeliegende Forderung bereits auf einen Drittleistenden übergegangen ist.

 

Rz. 52

Wer eine Rechtsgutverletzung und daraus resultierenden Schadenersatz fordert, hat bei Geltendmachung seiner Forderungen alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Dazu zählt auch der Nachweis der aktuellen Rechtsinhaberschaft (Aktivlegitimation), begründet entweder originär oder im Wege des Forderungswechsels.[24] Siehe ergänzend Rdn 1004 ff. und § 3 Rdn 25 ff.

 

Rz. 53

Bei der Regulierung sind Forderungsübergänge und etwaige künftige Leistungen von dritter Seite (SVT, Arbeitgeber, Dienstherr, sonstige Drittleistungs- und Versorgungsträger) zu berücksichtigen (siehe dazu § 1 Rdn 557 ff. mit Übersicht 1.8 [§ 1 Rdn 559]). Hervorzuheben ist die Unübersichtlichkeit des Versorgungssystems, das weder einheitliche Forderungsübergänge noch stets gleichmäßiges Verteilen von Gläubigerleistungen kennt.

 

Rz. 54

Gerade mit Blick auf die vielfältigen, häufig auch erst später anfallenden, Drittleistungen ist regelmäßig – und mit Fortschreiten der Regulierung immer wieder neu – zu prüfen, ob der Fordernde (unmittelbar ­Verletzter, Drittleistungsträger) auch tatsächlich schon, immer noch oder schon wieder Inhaber der reklamierten Forderung ist: Es handelt sich dabei um keinen statischen, sondern um einen dynamischen Prozess, der Fragestellung ist also immer wieder neu nachzugehen.

[24] BGH v. 1.12.2009 – VI ZR 221/08 – DAR 2010, 197 = FamRZ 2010, 896 = jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = MDR 2010, 381 = NJW-RR 2010, 839 = NJW-Spezial 2010, 169 = NZV 2010, 293 = r+s 2010, 167 = SP 2010, 144 = VersR 2010, 642 = VRS 118, 340 = zfs 2010, 315; AG Wertheim v. 14.10.2005 – 1 C 361/03 – DAR 2006, 283. Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 84, 188.

cc) Prozessuales

 

Rz. 55

Veränderungen sind prozessual u.U. noch bis zur letzten mündlichen Verhandlung einzubeziehen. Eine gerichtliche Hinweispflicht auf die Möglichkeiten einer gewillkürten Prozessstandschaft oder einer Abtretung des Schadensersatzanspruchs besteht nicht.[25]

 

Rz. 56

Wenn die zunächst auf eigenes Recht gestützte Klage auf abgetretenes/übergegangenes Recht umgestellt wird, handelt es sich um eine Klageänderung i.S.v. § 263 ZPO. In der Berufungsinstanz ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (§ 533 ZPO).[26]

 

Rz. 57

Während die Feststellungsklage den Nachweis der aktuellen Rechtsinhaberschaft hinsichtlich der prinzipiell verfolgbaren Ansprüche[27] verlangt, ist bei der Leistungsklage der konkrete Schadennachweis notwendig.[28]

 

Rz. 58

Problematisch sind zu früher Zeit absehbare (aber noch nicht erfolgte) oder befürchtete Forderungsveränderungen und -berechtigungen. SVT, die mit ihrer künftigen Zuständigkeit und daran anknüpfender Leistungspflicht zwar bereits rechnen, aber noch keine Beiträge erhalten haben oder aktuell unzuständig sind, können mangels aktueller Aktivlegitimation keine Feststellungsklage erheben.[29] Gleiches gilt für das Verlangen eines Anerkenntnisses oder Verjährungsverzichts.[30]

[25] LG Essen v. 5.3.2012 – 20 O 246/11 – juris.
[26] OLG Düsseldorf v. 15.1.2013 – 1 U 105/11 – SP 2013, 343.
[27] So bedarf es bei § 116 SGB X zur Begründung einer Feststellungsklage nur der abstrakten Verpflichtung zu Leistungserbringung.
[28] Nachweis zum Grund und zur Höhe des geltend gemachten bezifferten Anspruchs.
[29] Siehe: BGH v. 24.4...

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