Rz. 243

Die Herleitung des Anspruches hat zwei Stufen, nämlich

zunächst die Feststellung der Zahlungspflicht dem Grunde nach und
anschließend dann das Ausfüllen des Anspruchsvolumens.
 

Rz. 244

Aus welchem Rechtsgrund heraus die begehrte Zahlung zu erfolgen hat, beurteilt sich also

zunächst nach einer den Ersatzpflichtigen zum Schadenersatz grundsätzlich verpflichtenden Haftungsnorm,
anschließend (kumulativ anspruchsausfüllend) nach den einen konkreten Schadenersatzanspruch der Höhe nach rechtfertigende Schadenersatznormen.
 

Rz. 245

 

Übersicht 2.12: Haftungsnorm – Schadenersatznorm

WORAUS

(also aus WELCHEM Rechtsgrund)

folgt Zahlungspflicht
Rechtsgrundlage (Anspruchsgrundlage)

Haftung dem Grunde nach

(Rechtsgrund)

Haftungsnormen

regeln den Rechtsgrund, d.h. die Frage, ob überhaupt etwas zu bezahlen ist.

Schadenersatz der Höhe nach

(Rechtsfolge)

Schadenersatznormen

bestimmen (nach Feststellung der Haftung dem Grunde nach) in der Rechtsfolge, was im Einzelnen (auch der Höhe nach) zu bezahlen ist (Schadenvolumen).

aa) Haftungsnorm

 

Rz. 246

Haftungsnormen sind diejenigen Normen, nach denen festgestellt wird, ob der Schädiger dem Geschädigten überhaupt zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist (sog. Haftung dem Grunde nach).

(1) Anspruchsbegründung

 

Rz. 247

 

Hinweis

Siehe auch Rdn 187 ff., 192 ff.

 

Rz. 248

Zunächst ist festzustellen, ob überhaupt eine Verantwortlichkeit dem Grunde nach besteht: Nicht jeder, der wegen eines Haftpflichtgeschehens eine Vermögenseinbuße oder einen Schaden beklagt, hat auch einen dieses Begehren begründenden Anspruch.[186]

 

Rz. 249

Der Anspruchsgrund (Anlass der Schadenabwicklung) ist vielfältig wie das Leben überhaupt. Personenschäden entstehen nicht nur durch Kfz-Nutzung, auch Fahrradfahrer und Fußgänger können durch ihr Verhalten Anderen erhebliche Schäden zufügen. Neben tierischem Verhalten kann auch die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zu Körperschaden führen. Schädigungen resultieren auch aus anderweitigen Ursachen- und Verantwortungsbereichen, so z.B. im Bereich der beruflichen Haftung (u.a. Fehler von Ärzten und Handwerkern), im betrieblichen Bereich (Unfälle u.a. durch fehlerbehaftete Aufbereitung des Arbeitsumfeldes durch Arbeitgeber oder Handlungen von Kollegen) oder im Bereich der Produkthaftung (Fehlerhaftigkeit von Objekten).

 

Rz. 250

Der Schadenersatz findet seine Anspruchsbegründung in den Haftpflichttatbeständen der

deliktischen Haftung (z.B. §§ 823 ff., 839 BGB)
Gefährdungshaftung (z.B. § 7 StVG),
vertraglichen Beziehung[187] (z.B. positive Vertragsverletzung [pVV], culpa in contrahendo [cic]).
[186] BGH v. 25.2.2014 – VI ZR 299/13 – NJW 2014, 2104 = NZV 2014, 401 = VersR 2014, 642; BGH v. 1.10.2013 – VI ZR 369/12 – DAR 2014, 23 (nur Ls.) = MDR 2014, 30 = NZV 2014, 167 = VersR 2014, 78; BGH v. 15.2.2011 – VI ZR 176/10 – MDR 2011, 422 = NJW-RR 2011, 888 = NZV 2011, 440 (nur Ls.) = RdL 2011, 151 = r+s 2011, 177 = VersR 2011, 546; BGH v. 8.11.2005 – VI ZR 332/04 – BGHReport 2006, 233 = JA 2006, 404 (nur Ls.) = MDR 2006, 569 = NJW 2006, 610 = NZV 2006, 195 (nur Ls.) = r+s 2006, 212 = VersR 2006, 233 (Es gibt Fälle, in denen ein Geschädigter zwar ein Unglück erleidet, gleichwohl aber – so hart dies im Einzelfall auch sein mag – dem Schädiger kein Unrecht vorhalten kann und seinen Schaden selbst tragen muss); BGH v. 15.7.2003 – VI ZR 155/02 – BGHReport 2003, 1200 = IVH 2003, 226 (nur Ls.) = MDR 2003, 1352 = NJW-RR 2003, 1459 = NZV 2004, 79 = r+s 2004, 390 = VersR 2003, 1319 = zfs 2003, 583; BGH v. 15.4.1975 – VI ZR 19/74 – VersR 1975, 812; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 16 StVG Rn 1a; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 3 Rn 17 ff., 139 ff.; Jahnke/Burmann-Jahnke/Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn 2935 ff.
[187] Ein Schutzpflichten begründendes Rechtsverhältnis ist nicht zwingend von einem Eintrittsentgelt abhängig. Ausreichend ist häufig, dass kontrollierter Zutritt gewährt wird (z.B. Flugschau zwecks Reklame für Luftwaffe).

(2) Rechtsnachfolger

 

Rz. 251

 

Hinweis

Siehe auch Rdn 192 ff.

(a) Nachweis

 

Rz. 252

Die Beweislastverteilung beim Anspruch des Direktgeschädigten gilt auch für dessen etwaige Rechtsnachfolger. Was jedem bei einer Abtretung einleuchtet, wird in der vielfach nicht durch Abtretung (privatrechtlicher Forderungsübergang), sondern vorwiegend durch gesetzliche Forderungsübergänge[188] (unjuristisch ausgedrückt "gesetzliche Zwangsabtretung") geprägten Regulierungspraxis immer wieder aus dem Auge verloren: Es geht eben nicht um Erstattung von dem Drittleistungsträger (z.B. Arbeitgeber) entstandenen Kosten oder Aufwendungen, sondern vielmehr um das Geltendmachen eines vom unmittelbar Verletzten erworbenen und danach auf seinen Rechtsnachfolger übergegangenen kongruenten Anspruchs.[189] Die Anforderungen an den Nachweis zu Anspruchsgrund und Schadenhöhe sind für den Rechte aus einer Legalzession Herleitenden (z.B. SVT nach § 116 SGB X) nicht anders, insbesondere nicht besser, als für seinen Versicherten, den unmittelbar Gesc...

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