Rz. 174
Verletzte haben nicht nur Ansprüche gegenüber dem Unfallverursacher (Schadenersatzpflichtiger), sondern auch gegenüber Drittleistungsträgern (wie SVT, Arbeitgeber, Privatversicherung).[102]
aa) Sozialversicherungsträger – Sozialhilfeträger
Rz. 175
Bei der Schadenabwicklung ist zwingend und strikt auseinander zu halten, ob es sich um Leistungen der Sozialversicherung (SVT) oder solche der Sozialhilfe (SHT) handelt.
Rz. 176
Rechtsgrundsätze, die für die Sozialversicherung entwickelt wurden, gelten definitiv nicht automatisch auch für die Sozialhilfe.[103]
(1) Sozialversicherung (SVT)
Rz. 177
Die deutsche Sozialversicherung (§ 4 SGB I) ist ein gesetzliches als Solidargemeinschaft ausgeprägtes Versicherungssystem. Es bietet als Teil der sozialen Sicherung finanziellen Schutz vor Lebensrisiken und deren Folgen (wie Alter, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Invalidität, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Unfall). Die zu versichernden Risiken (Sozialversicherungszweige) werden weitgehend aus Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert, teilweise auch aus Steuermitteln, und stehen – mit Ausnahme der Krankenversicherung – in keinem Wettbewerbsverhältnis zueinander.
Rz. 178
SVT sind diejenigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die – außerhalb der Krankenversicherung – aufgrund von Zuweisungen für den jeweiligen Versicherten zuständig sind.
(2) Arbeitsagentur
Rz. 179
Die Arbeitsagentur ist kein SVT,[104] aber als Sozialleistungsträger ihm vielfach angenähert (vgl. § 116 Abs. 10 SGB X), auch wenn einige Leistungsbereiche eher der Sozialhilfe nahestehen (z.B. ALG II).
(3) Sozialhilfe (SHT)
Rz. 180
Die Sozialhilfe (§§ 9, 28 SGB I, SGB XII) hat als öffentlich-rechtliche Sozialleistung im System der sozialen Sicherheit die Funktion einer Grundsicherung und setzt die staatliche Verpflichtung (Art 20 Abs. 1 GG) um, einen Mindeststandard des menschenwürdigen Daseins sicherzustellen. Sozialhilfe (mit Ausnahme der Grundsicherung) setzt ein, sobald dem SHT bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII); und zwar ohne dass es eines Antrages bedarf.
Rz. 181
SHT ist diejenige Institution, die für die Ausführung der Sozialhilfe zuständig ist und die in ihrem Zuständigkeitsbereich die Kosten der Sozialhilfe zu tragen hat (§ 28 Abs. 2 SGB I, § 3 SGB XII).
bb) Künftige Ansprüche
Rz. 182
Drittleistungsansprüche, die auch erst künftig entstehen können, sind abzuschätzen und in die Abrechnung einzubeziehen.
Rz. 183
Häufig – aber nicht immer (siehe § 2 Rdn 72 ff., 1039 ff.) – hat bereits vor der Abfindung aufgrund Forderungswechsels (Cessio legis, privatrechtliche Forderungsübertragung) der unmittelbar Verletzte seine Rechte ganz oder teilweise an einen Drittleistungsträger abgegeben. Der Verletzte kann über diese übergangenen Forderungen dann nicht mehr befinden, d.h. diese weder prozessual geltend machen noch sie mit Wirkungen gegenüber den Drittleistungsträgern durch Abfindung erledigen.
cc) System
Rz. 184
Übersicht 2.10: Systemdarstellung[105]
Rz. 185
Differenziert werden muss
▪ | zwischen der vom Schaden unabhängig zu betrachtenden Leistungsverpflichtung der Drittleistungsträger aufgrund ihrer Drittleistungsbeziehung einerseits und |
▪ | dem Regressanspruch des Drittleistenden, der ausschließlich der schadenersatzrechtlichen Betrachtung unterliegt, andererseits. |
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen
Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen