aa) Zession

 

Rz. 147

Während sich der Anspruch des unmittelbar Betroffenen auf Leistungen aus dem Drittleistungssystem nach dem jeweils aktuell geltenden und sich – unter Beachtung der jeweiligen Überleitungsvorschriften – immer häufiger verändernden Recht (z.B. EFZG, SGB, Beamtenversorgungsrecht) richtet, orientiert sich der Forderungswechsel während der gesamten Zeit der Abwicklung bis hin zur endgültigen Erledigung ausschließlich an dem im Zeitpunkt des Schadenfalles geltenden, den Forderungswechsel herbeiführenden, Recht.[92] Das gilt auch dann, wenn zu weit späteren Zeitpunkten Schäden aus dem Haftpflichtgeschehen erst entstehen (z.B. späterer unfallkausaler Tod; Spätschaden; Pflegebedürftigkeit).

 

Rz. 148

Das potentiell später in Betracht kommende Leistungsspektrum von dritter Seite ist zwar recht vielfältig, muss aber gleichwohl von den am Abfindungsvertrag Beteiligten frühzeitig eingeschätzt werden[93] (siehe Rdn 161 ff.).

 

Rz. 149

Die Verknüpfung von Leistungen der Dritten einerseits und Schadenersatzverlangen andererseits erfolgt über das Zessionsrecht, geprägt durch ein uneinheitliches Zessionssystem.

 

Rz. 150

Grenzen der Verknüpfung zeigen insbesondere Kongruenz und nicht-zurechenbare Vorsorgeaufwendungen auf. Nicht jede Drittleistung ist auch auf den Schaden "anrechenbar" (siehe Rdn 62), so z.B. Leistungen der Summenversicherer (wie Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder private Unfallversicherung[94]).

[92] BGH v. 13.7.2004 – VI ZR 273/03 – FamRZ 2004, 1569 = MDR 2005, 34 = NJW 2004, 3176 = NZV 2004, 625 (nur Ls.) = SP 2004, 370 = VersR 2004, 126; BGH v. 13.2.1996 – VI ZR 318/94 – BGHZ 132, 39 = DAR 1996, 357 = JR 1996, 505 (Anm. Fuchs) = LM BGB § 844 Abs. 2, Nr. 93 = MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = NVwZ 1996, 824 = NZV 1996, 229 = r+s 1996, 311 = SGb 1996, 328 = SP 1996, 168 = VersR 1996, 649 = VRS 91, 267.
[93] Übersichten zum Leistungsspektrum enthalten: Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn 3738; Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 2 Rn 769; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 584.
[94] Aufgrund neuerer Vertragsgestaltungen erbringt die private Unfallversicherung teilweise zu vermehrten Bedürfnissen kongruente Pflegeleistungen (siehe ergänzend Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn 2722.

bb) Körperliche Beeinträchtigung und Messgrößen

 

Rz. 151

Körperliche Beeinträchtigung und ihre Folgen werden von diversen leistungsbestimmenden Einstufungen begleitet.

(1) Sozialrechtliche Messgrößen

 

Rz. 152

Zu nennen sind in diesem Zusammenhang u.a. folgende sozialrechtliche Messgrößen:

Grad der Schädigung (GdS, § 30 Abs. 1 BVG),
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, § 56 Abs. 2 SGB VII) i.S.d. Sozialversicherungsrechts,
Grad der Behinderung (GdB, § 69 SGB IX) i.S.d. Schwerbehindertenrechts,
Grad der Hilflosigkeit (GdH)/Pflegebedürftigkeit (GdP) (§ 15 Abs. 1 SGB XI).
 

Rz. 153

Abstrakt beschriebene Beeinträchtigungen (z.B. Hinweis auf eine "MdE") erleichtern u.a. für Vorbehalte in Vergleichen die Festlegung desjenigen Punktes, zu dem ein Neueinstieg in die Regulierung erfolgen soll. Die anschließende Regulierung erfolgt dann aber anhand konkret nachgewiesener Beeinträchtigungen und tatsächlich erforderlicher Mehranforderungen.[95]

 

Rz. 154

Die leistungsrechtlichen Bewertungspunkte charakterisieren auch denjenigen künftigen Moment, zu dem weitere oder höhere Leistungen von dritter Seite (SVT, Sozialleistungsträger pp.) in Betracht kommen.

 

Rz. 155

Anspruch auf abschlagfreie Altersrente haben Menschen, die die Wartezeit (= Mindestversicherungszeit) von 35 Jahren erfüllt haben, anerkannt schwerbehindert (Grad der Behinderung mindestens 50; Nachweis durch Schwerbehindertenausweis) sind und die jeweilige Altersgrenze für ihren Jahrgang (§ 236a SGB VI) erreicht haben.[96]

[95] BGH v. 8.11.1977 – VI ZR 117/75 – VersR 1978, 149; KG v. 15.2.1982 – 12 U 3843/81 – VersR 1982, 978, OLG Oldenburg v. 29.7.1997 – 5 U 46/97 – VersR 1998, 1380.
[96] Siehe ergänzend Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn 535 ff.

(2) Anderweitige Messgrößen

 

Rz. 156

Keine sozialrechtlichen Messgrößen sind u.a.

Minderung der Fähigkeit, den Haushalt zu führen (MdH),

entwickelt für die zivilrechtliche Schadenpraxis

Gliedertaxe (z.B. Armwert, Beinwert),

entwickelt für die Abwicklung von Ansprüchen aus der privaten Unfallversicherung.

(3) Pflegestufe/Pflegegrad

 

Rz. 157

Pflegebedürftige Personen wurden nach § 15 Abs. 1 SGB XI a.F. bis zum 31.12.2016 einer von drei Pflegestufen zugeordnet, nach der sich dann das Leistungsspektrum bestimmte. Dabei war nicht die Schwere einer Erkrankung maßgebend, sondern der Umfang der zu leistenden Pflege.

 

Rz. 158

Nach der Neuregelung durch das PSG II[97] erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten den Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad, § 15 SGB XI). Die Einstufung in einen Pflegegrad richtet sich danach, wie selbstständig ein Mensch ist und über welche Fähigkeiten er noch verfügt. Der Fokus liegt dabei auf seinen ve...

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