Rz. 753

 

Hinweis

Siehe auch Rdn 1221 ff.

 

Rz. 754

Der anwaltliche Berater wäre überfordert, wenn von ihm allgemein verlangt würde, dass er über eine im Wesentlichen lückenlose Gesetzeskenntnis verfügen und sie in das Beratungsgeschehen einbringen müsste. Erwartet wird von ihm allerdings eine mandatsbezogene Rechtskenntnis, die zudem mit der Informationspflicht des Mandanten in Wechselwirkung steht: Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit und die Vollständigkeit der tatsächlichen Angaben seines Auftraggebers vertrauen, ohne eigene Nachforschungen anstellen zu müssen. Hat der Rechtsanwalt in dem Bereich, der aufgrund des von dem Mandanten mitgeteilten Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht zu prüfen und gegebenenfalls in tatsächlicher Hinsicht weiter aufzuklären ist, kein hinreichend präsentes Wissen, hat er sich, wenn er das Mandant weiterführen will, in die Rechtsmaterie in demjenigen Maße einzuarbeiten, das für ihn erkennbar zur Wahrung des Interesses des Auftraggebers notwendig ist. Unterlässt er dies, kann er sich in einem nachfolgenden Regressprozess nicht darauf berufen, dass diese in einer weitgehend unbekannten Rechtsmaterie anzusiedeln seien.[634]

 

Rz. 755

Ein beim Vergleichsabschluss mitwirkender Anwalt hat bei der Abfassung des Vergleichstextes für eine vollständige und richtige Niederlegung des Mandantenwillens und für einen möglichst eindeutigen, und nicht erst der Auslegung bedürftigen, Wortlaut zu sorgen.[635]

 

Rz. 756

Der Anwalt hat, allgemein formuliert, seinem Mandanten von einem schlechten Vergleich abzuraten, zugleich aber die Pflicht, einem guten Vergleich zuzuraten. Dies lässt sich abstrakt zwar gut formulieren, ob ein Vergleich objektiv gut oder schlecht war, zeigt sich häufig erst in der Zukunft. Die Anforderungen an die Beratungspflicht dürfen daher auch nicht überspannt werden, da ansonsten dieses praktisch das Ende der Vergleichspraxis bedeuten würde.[636]

 

Rz. 757

Vor Abschluss eines Vergleichs hat der Rechtsanwalt seinen Mandanten über die Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs zu belehren und diese gegeneinander abzuwägen.[637] Der Anwalt ist verpflichtet, über den Inhalt und die Tragweite des Abfindungsvergleiches aufzuklären und darüber zu belehren, dass Fehleinschätzungen über die künftige Entwicklung der Körperschäden zu den vom Mandanten zu übernehmenden Risiken gehören. Die Belehrungspflicht ist regelmäßig erfüllt, wenn der Mandant, der Art, Umfang und Zukunftsprognose hinsichtlich seiner Körperschäden kennt, sich darüber im Klaren ist, dass mit dem Vergleich alles abgegolten sein soll; denn dann ist ihm bekannt, dass die Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung seiner körperlichen Beeinträchtigungen zu den von ihm zu tragenden Risiken gehört.[638]

 

Rz. 758

Vor Abschluss eines Vergleichs hat der Rechtsanwalt seinen Mandanten über die Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs zu belehren und diese gegeneinander abzuwägen. Der Anwalt darf ein vorteilhaftes Vergleichsangebot nicht ohne ausreichende Beratung seines Mandanten ablehnen.[639] Im Einzelfall kann der Anwalt verpflichtet sein, von einem Abfindungsvergleich abzuraten. Das Belehrungs- und Zustimmungserfordernis jedenfalls bei größeren Schäden führt aber nicht dazu, dass der Anwalt generell von einer abschließenden Abfindung abraten muss.[640]

 

Rz. 759

Ist der Geschädigte anwaltlich vertreten und berät der Anwalt nicht korrekt, ist dieses letztlich zulasten[641] des Geschädigten im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer des Schädigers zu berücksichtigen (§ 278 BGB). Fehleinschätzungen des Rechtsvertreters sind dem Mandanten zuzurechnen.[642] Ein den Schaden regulierender Haftpflichtversicherer ist – jedenfalls einem anwaltlich vertretenen – Verletzten gegenüber nicht zur Aufklärung und Beratung verpflichtet.[643] Anwaltliche Fehler berechtigen weder zur Anfechtung noch zum Rücktritt vom Vergleichsvertrag (siehe Rdn 1071; ferner auch § 5 Rdn 395, 776).

 

Rz. 760

Das OLG Hamm[644] fasst die Anforderungen an den Anwalt wie folgt zusammen:

Zitat

Der Anwalt ist kraft des Anwaltsvertrages verpflichtet, innerhalb der Grenzen seines Mandats die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen.[645] Dabei hat er zunächst zu klären, welches Ziel der Auftraggeber in seiner Rechtsangelegenheit verfolgt. Der Anwalt muss sodann möglichst genau den Sachverhalt klären, den er seiner fachlichen Tätigkeit zugrunde legen soll.[646] Er muss dabei damit rechnen, dass sein Mandant nicht zu überblicken vermag, welche tatsächlichen Einzelheiten für die rechtliche Bewertung des Sachverhalts erheblich sind. Aus diesem Grund ist der Anwalt verpflichtet, den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt durch gezielte Nachfragen bei dem Mandanten genau aufzuklären.[647] Anschließend muss der Anwalt rechtlich prüfen, ob der Sachverhalt geeignet ist, den von dem Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Dem Auftraggeber hat er sodann diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge