Rz. 429

Der für den Versicherer handelnde Schadensachbearbeiter/Regulierer unterbreitet in aller Regel kein eigenes Angebot, sondern nur eine "invitatio ad offerendum"[384] (Einladung zum Angebot), was zudem häufig durch die Erklärung "Direktionsgenehmigung vorbehalten" klargestellt ist: Das Abfindungsangebot unterbreitet dann der Anspruchsberechtigte und der Versicherer kann dieses Angebot innerhalb einer ihm vom Anspruchsteller (regelmäßig auf dem Abfindungsformular enthaltenen) gesetzten Bindungsfrist dann akzeptieren.[385] Fehlt der Hinweis auf den Direktionsvorbehalt, bedeutet dieses nicht automatisch, dass der verhandelnde Regulierer seinerseits uneingeschränkte Abschlussvollmacht hat.

 

Rz. 430

Zumeist ergibt sich aus dem Kontext der Abfindungserklärung ausreichend deutlich, dass das Angebot vom Verletzten kommt (z.B. "Ich/wir ... erkläre(n) mich/uns nach Zahlung von … EUR mit allen Ansprüchen aus dem Schadenfall vom … für jetzt und die Zukunft auch wegen unerwarteter und unvorhergesehener Folgen endgültig abgefunden.").

 

Rz. 431

Wird allerdings schriftlich in der Schadenkorrespondenz ein "Angebot" vom Versicherer unterbreitet, handelt es sich, solange kein entsprechender Vorbehalt deutlich gemacht wird oder ein solcher Vorbehalt sich nicht aus den Begleitumständen ergibt, nicht um eine bloße invitatio, sondern schon um ein bindendes Angebot (auch bei objektiv fehlender Vollmacht des Sachbearbeiters des Versicherers). Die Grundsätze der Anscheins-/Duldungsvollmacht prägen das Zustandekommen des Vergleichsvertrages an dieser Stelle.[386]

 

Rz. 432

Der Erklärende ist bis zur Entscheidung des Ersatzpflichtigen an sein Angebot gebunden und kann nicht widerrufen (§§ 145, 130 BGB).

 

Rz. 433

Ob der Regulierungsbeauftragte des Schädigers oder dessen Versicherer die handschriftlichen Erklärungen in ein Abfindungsformular aufnimmt (dies gilt auch für etwaige Vorbehalte), ändert nichts an der Person des Erklärenden: Für den Erklärungsinhalt eines Abgeltungsvergleiches ist es gleichgültig, wer den Vorbehalt in den Vergleichstext geschrieben hat. Der Regulierungsbeauftragte ist lediglich eine Schreibhilfe des erklärenden Anspruchsberechtigten.[387]

[384] OLG Saarbrücken v. 28.3.2013 – 4 U 400/11 – 125, 4 U 400/11 – SP 2013, 394 = VRR 2013, 362; LG Karlsruhe v. 18.12.1981 – 6 O 405/81 – zfs 1982, 226. Siehe allerdings auch AG Augsburg v. 18.6.1982 – 1 C 1530/82 – r+s 1982, 189 (Annahme durch konkludente Handlung) sowie LG Hildesheim v. 26.2.1980 – 3 O 479/79 – zfs 1980, 330.
[385] Zur Rechtslage, wenn wegen eines Schreibfehlers in der Abfindungserklärung eine Überzahlung erfolgte, siehe Wussow WI 1981, 156 (Wird versehentlich vom Haftpflichtversicherer ein zu hoher Betrag in die Abfindungserklärung eingesetzt, liegt ein Fehler in der Erklärungshandlung vor, der den Versicherer zur Anfechtung des Vergleiches wegen Irrtums [§ 119 BGB] berechtigt).
[386] Siehe ergänzend Palandt-Ellenberger, 76. Aufl. 2017, § 167 BGB Rn 10, § 172 BGB Rn 6 ff.
[387] OLG Thüringen v. 24.11.2004 – 4 U 399/04 – OLG-NL 2005, 54 = SVR 2005, 383 (Anm. Nehls).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge