Rz. 357

 

Hinweis

Siehe auch Rdn 495 ff., 659 ff.

(aa) Weltanschauung

 

Rz. 358

Verweigern Eltern eines verletzten Kindes[317] aus weltanschaulicher Überzeugung (z.B. Zeuge Jehova[318]) eine Fremdbluttransfusion und beeinflusst dies mitkausal das Verletzungsbild, entfällt bereits der Zurechnungszusammenhang mit dem ursprünglichen Unfallgeschehen,[319] ohne dass es noch auf eine Mitverschuldensdiskussion ankommt.[320]

[317] Kern, Fremdbestimmung bei der Einwilligung in ärztliche Eingriffe, NJW 1994, 753 (zu II. 2. c) führt dazu aus: "Die Eltern sind bei ihrer Einwilligung an das Kindeswohl (§ 1627 BGB) gebunden, das grundsätzlich mit der medizinischen Indikation gleichzusetzen ist. Die Eltern dürfen nur in indizierte Eingriffe einwilligen, aber sie müssen es andererseits auch. Sie dürfen demzufolge keine unvernünftigen Entscheidungen zu Lasten ihres Kindes treffen. Das gilt z.B. für Zeugen Jehovas, die eine notwendige Bluttransfusion zwar für sich selbst verweigern können, nicht aber für ihre Kinder. Verstöße gegen die Einwilligungspflicht der Eltern kann das Vormundschaftsgericht korrigieren (§ 1666 BGB). Bei Gefahr im Verzuge hat der Arzt die notwendige Maßnahme auch gegen den Willen der Eltern vorzunehmen. Eine echte Entscheidung steht den Eltern nur dann zu, wenn es gleichwertige Behandlungsalternativen gibt."
[318] BSG v. 9.12.2003 – B 2 U 8/03 R – Breith 2004, 509 = FamRZ 2004, 1198 = HVBG-Info 2004, 130 (Anm.: BVerfG v. 9.3.2005 – 1 BvR 616/04 – hat die Verfassungsbeschwerde gegen das BSG-Urteil nicht angenommen). In diesem Sinne auch österr. OGH v. 22.6.2011 – 2 Ob 219/10k – unter Hinweis auf österr. OGH v. 3.9.1986 – 1 Ob 586/86 – RIS-Justiz RS0086170 (Die Weigerung von Eltern, der notwendigen Bluttransfusion bei ihrem Kind zuzustimmen, verletzt das Kindeswohl).
[319] LG Essen v. 4.10.2010 – 3 O 198/09; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 254 BGB Rn 274 ff.; van Bühren/Lemcke/Jahnke-Jahnke, Anwalts-Handbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2012, Teil 4 Rn 144, 466. Siehe auch BSG v. 2.11.2007 – B 1 KR 11/07 R – ArztR 2008, 246 = BeckRS 2008, 51847 = Breith 2008, 648 = NZS 2008, 482 (nur Ls.).
[320] Siehe auch Jahnke jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 4 (zu AG Betzdorf v. 21.8.2009 – 33 C 136/09 – SP 2009, 401); ders., Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 3 Rn 115 ff.

(bb) Medizinische Maßnahmen

 

Rz. 359

Eltern haben für adäquate medizinische Behandlung zu sorgen. Unterlassene oder unzureichende Heilversorgung kann zur Anspruchsbeeinträchtigung führen.

 

Rz. 360

Ein Geschädigter muss ärztlichem Rat (u.a. Therapie- und Kontrollanweisungen) folgen, um den Gesundungsprozess zu fördern,[321] und sich auch weiteren medizinischen Eingriffen zur Besserung des Zustandes unterziehen.[322]

 

Rz. 361

Operative Eingriffe sind nur eingeschränkt duldungspflichtig.[323] Es muss es sich um einen Eingriff handeln, der einfach und gefahrlos ist, keine besonderen Schmerzen bereitet und sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung bietet.[324]

[321] BGH v. 17.12.1996 – VI ZR 133/95 – MDR 1997, 353 = MedR 1997, 319 = NJW 1997, 1635 = VersR 1997, 449; BGH v. 30.6.1992 – VI ZR 337/91 – MDR 1992, 1130 = MedR 1993, 70 = NJW 1992, 2961 = r+s 1992, 411 = VersR 1992, 1229; BGH v. 25.6.1985 – VI ZR 270/83 – FamRZ 1985, 1008 = MDR 1986, 41 = MedR 1985, 272 = NJW 1985, 2749 = VersR 1985, 1068; OLG Oldenburg v. 28.5.1985 – 1 U 49/83 – VersR 1986, 1220 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 8.4.1986 – VI ZR 91/85). Ausführlich van Bühren/Lemcke/Jahnke-Jahnke, Anwalts-Handbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2012, Teil 4 Rn 460 f.; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 11 Rn 75 ff.
[322] BGH v. 10.2.2015 – VI ZR 8/14 – DAR 2015, 261 = MDR 2015, 510 = NJW 2015, 2246 = NJW-Spezial 2015, 202 = NZV 2015, 281 = openJur 2015, 7230 = r+s 2015, 260 = SP 2015, 186 = UV-Recht Aktuell 2015, 390 = VersR 2015, 590 = VRS 128, 229 = zfs 2015, 435; BGH v. 18.4.1989 – VI ZR 221/88 – NJW 1989, 2332 = NJW-RR 1989, 1110 (nur Ls.) = VersR 1989, 701; BGH v. 4.11.1986 – VI ZR 12/86 – VersR 1987, 408 (Anm. Deutsch VersR 1987, 559); OLG Oldenburg v. 28.2.1985 – 1 U 49/83 – VersR 1986, 1220 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 8.4.1986 – VI ZR 91/85).
[323] Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 11 Rn 75 ff.
[324] BGH v. 15.3.1994 – VI ZR 44/93 – DAR 1994, 275 = NJW 1994, 1592 = NZV 1994, 271 = zfs 1994, 354; BGH v. 4.11.1986 – VI ZR 12/86 – VersR 1987, 408 (Anm. Deutsch VersR 1987, 559); BGH v. 24.10.1961 – VI ZR 23/61 – BeckRS 1961, 31185943 = VersR 1961, 1125 = VRS 21, 403; OLG Düsseldorf v. 19.12.1974 – 12 U 174/72 – VersR 1975, 1031; OLG Düsseldorf v. 8.11.2001 – 13 U 65/98 – r+s 2003, 38 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 17.9.2002 – VI ZR 431/01) (Für Narbenbruchoperation wird Duldungspflicht bejaht, im Ergebnis aber deren Kausalität für einen Verstoß gegen Schadenminderungspflicht verneint); OLG Frankfurt v. 22.10.1992 – 3 U 146/93 – VRS 86, 17 (BGH hat Revision nicht angenommen,...

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