Rz. 1011

Leistungen an den Verletzten haben nur dann befreiende Wirkung für den Ersatzverpflichteten, wenn er den Forderungsübergang nicht kannte. Die Bösgläubigkeit des Ersatzverpflichteten (§ 407 BGB) hat der Drittleistungsträger (z.B. SVT) zu beweisen.

 

Rz. 1012

Die Anforderungen an die Kenntnis vom Gläubigerwechsel sind in der Praxis allerdings gering. Für den Verlust des guten Glaubens genügt schon die Kenntnis der tatsächlichen Voraussetzungen, aus denen sich die Sozialversicherungspflicht des Verletzten ergibt (z.B. Wissen, dass Verletzter Arbeitnehmer o.ä. war) bzw. das Wissen um tatsächliche Umstände, von denen allgemein bekannt ist, dass sie eine Sozialversicherungspflicht begründen.[875]

 

Rz. 1013

In der Praxis ist eine gutgläubige Falschleistung eher die Ausnahme (z.B. bei Unkenntnis freiwilliger Versicherung).[876] Inwieweit mit der Unterbringung in einer beschützenden Werkstatt (und der daran anknüpfenden Sozialversicherungspflicht und daraus resultierenden Leistungsansprüchen) zu rechnen ist, ist im Einzelfall abzuwägen;[877] gleiches gilt für Rentenversicherungszeiten aus späteren Geburten (Kindererziehungszeiten).

[875] BGH v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – BGHZ 131, 274 = NJW 1996, 726 = NZV 1996, 110 = r+s 1996, 102 = SP 1996, 79 = VersR 1996, 349 = WI 1996, 34 = zfs 1996, 90; BGH v. 17.4.1990 – VI ZR 276/89 – MDR 1990, 811 = NJW 1990, 2933 = VersR 1990, 1028 = zfs 1990, 342 (nur Ls.); BGH v. 4.10.1983 – VI ZR 44/82 – BG 1985, 594 = MDR 1984, 216 = NJW 1984, 607 = r+s 1984, 9 (nur Ls.) = VersR 1984, 35 = VRS 66, 165 = zfs 1984, 77 (nur Ls.); BGH v. 13.2.1975 – VI ZR 209/73 – VersR 1975, 446; BGH v. 27.2.1962 – VI ZR 260/60 – VersR 1962, 515; OLG München v. 13.5.2011 – 10 U 4762/10 – UV-Recht Aktuell 2011, 744 (Maßgeblich ist die Kenntnis der Tatsachen, die den frühen Rechtsübergang); OLG Nürnberg v. 17.12.1975 – 4 U 93/75 – VersR 1977, 613 (Zu den Anforderungen an die Kenntnisse eines Sachbearbeiters einer Haftpflichtversicherung).
[876] KG v. 5.10.2001 – 6 U 7340/99 – NVersZ 2002, 457 (Fehlende Kenntnis von privater Krankenversicherung); OLG Frankfurt v. 24.5.1966 – 5 U 19/65 – NJW 1967, 634 (Der kann Beklagte sich nicht mit Erfolg auf die §§ 407, 412 BGB berufen. Der Vertreter der Versicherung, der bei Abschluss der Abfindungsverträge mit Wirkung für den Beklagten gehandelt hat, war nach der Rechtsprechung [vgl. BGH v. 27.2.1962 – VI ZR 260/60 – VersR 1962, 515; BGH v. 30.11.1955 – VI ZR 211/54 – BGHZ 19, 177 = DB 1956, 522 = NJW 1956, 461] nicht im guten Glauben, da er Kenntnis von den den Rechtsübergang begründenden Tatsachen, nämlich von dem Bestehen eines Beamtenverhältnisses und von dem Eintritt eines Schadens gegenüber einem Beamten hatte. Damit ist ihm die Kenntnis von der Entstehung von Versorgungsansprüchen, insbesondere auch die Kenntnis von dem Entstehen des Anspruchs auf Unfallhilfe wie auch von dem gesetzlichen Forderungsübergang zuzurechnen.); OLG Oldenburg v. 18.3.1997 – 5 U 178/96 – VersR 1998, 633 (Das Wissen von der nicht-ehelichen Geburt eines Kindes vermittelt keine positive Kenntnis von einem beim Erzeuger bestehenden Versicherungsschutz – konkret: AOK – für das Kind).
[877] Siehe auch OLG Bamberg v. 17.9.199/2.10.1996 – 5 U 217/95 – HVBG-INFO 1998, 1731 = NZV 1997, 517 = r+s 1998, 65 = SP 1998, 49 = VRS 94, 183 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 3.6.1997 – VI ZR 365/96 –; Vorinstanz LG Bamberg v. 28.9.1995 – 1 O 531/92 – SP 1996, 10) (Erst nach Abfindung entstandener Anspruch auf EU-Rente, da wider Erwarten – aus Gefälligkeit – dem Verletzten die Möglichkeit verschafft wurde, sozialversicherungspflichtiges Entgelt zu beziehen und daraufhin die rentenrechtliche Wartezeit zu erfüllen.).

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