a) Ausländisches Recht

 

Rz. 238

Das Gericht ist nicht gezwungen, ausländisches Recht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln, sondern hat einen weiten Ermessensspielraum bei der Weise der Kenntnisverschaffung über das ausländische Recht.[176]

[176] BGH v. 26.3.2014 – VI ZR 298/12 – BeckRS 2014, 08154 = openJur 2014, 8868; BGH v. 26.3.2014 – VI ZR 254/12 – openJur 2014, 8874. Siehe auch Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 1 Rn 19 ff.

b) Tatsachenvortrag und richterliche Rechtskenntnis

 

Rz. 239

Nach althergebrachter Rechtssitte (nach römischer Rechtsregel "Da mihi factum, dabo tibi ius",[177] siehe § 138 ZPO) sollte es im Zivilprozess genügen, vor Gericht lediglich den Sachverhalt darzustellen und auf korrekte richterliche Rechtsanwendung ("curia novit iura"[178]) zu vertrauen, ohne dass es der Erläuterung seitens der Prozessparteien zu juristischen Auslegungen, Mitteilung von Rechtsansichten oder Rechtsanwendung bedarf. Das Gericht muss anhand des dargelegten und festgestellten Sachverhaltes eigenständig (aufgrund eigener Rechtskunde) das entsprechende Recht auf diesen Sachverhalt anwenden.

 

Rz. 240

Die Rechtsprechung erkennt die Überforderung der Gerichte und fordert im Anwaltsprozess auch rechtliche Darlegungen durch die beteiligten Rechtsanwälte. Unterlässt es der Anwalt beispielsweise auf ein die Rechtsauffassung seines Mandanten stützendes Urteil des BGH hinzuweisen, und verliert der Mandant deshalb den Prozess, soll der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Anwaltsfehler und dem dadurch entstandenen Schaden nicht deshalb unterbrochen sein, weil auch das Gericht die Entscheidung des BGH übersehen hat.[179]

 

Rz. 241

Der Anwalt haftet für jeden Fehler, auch bei leichter Fahrlässigkeit, mit der Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB für fehlendes Verschulden. Auch fehlerhafte Rechtsansichten von Gerichten hat er u.U. mitzuverantworten,[180] gesamtschuldnerische Haftung mit den fehlerhaften erkennenden Richtern entfällt aber wegen des Spruchrichterprivileges (§ 839 Abs. 2 BGB beschränkt die Richterverantwortlichkeit vor allem auf Rechtsbeugung, § 339 StGB). Ein Anwalt hat alle Gesetze und Vorschriften bis ins Detail zu kennen oder zu ermitteln; das gilt auch für neueste Gesetze und Entscheidungen.[181] Im Einzelfall muss er vielleicht sogar Gesetzesänderungen vorhersehen.[182]

 

Rz. 242

Das BVerfG[183] führt in seinem Nicht-Annahmebeschluss zur gemeinschaftlichen Verantwortung von Richter und Anwalt aus:

Zitat

Von den nicht berufsbezogenen allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts entfernt sich die Rechtsprechung des BGH nicht dadurch, dass eine Haftung des Rechtsanwalts im Regelfall auch dann angenommen wird, wenn ein Fehler des Gerichts insbesondere bei der rechtlichen Aufarbeitung des Streitfalls für den Schaden einer Prozesspartei mitursächlich geworden ist. Der BGH kann vielmehr auf die im Zivilrecht anerkannte gleichstufige Haftung all derjenigen verweisen, die für einen Schaden gleich aus welchen rechtlichen Gründen verantwortlich sind.[184] Hierbei ergibt sich aus dem Umstand, dass die Haftung für den Verursachungsbeitrag des Gerichts durch § 839 Abs. 2 BGB im Unterschied zur Haftung des Rechtsanwalts beschränkt ist, keine Besonderheit. Dass mehrere Verantwortliche einen Schaden herbeiführen, sich aber nicht alle von ihnen auf eine vertragliche oder gesetzliche Haftungserleichterung oder einen Haftungsausschluss berufen können, ist auch in anderen Fallgestaltungen des Schadensersatzrechts anzutreffen und erlangt insbesondere für den internen Ausgleich unter den Gesamtschuldnern Bedeutung.[185]

[177] Auch "da mihi facta, dabo tibi ius": Gib mir die Tatsachen, ich werde Dir das (daraus folgende) Recht geben.
[178] "Iura novit curia" (auch "iura noverit curia"): Das Gericht kennt das Recht.
[179] BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 179/07 – AnwBl 2009, 306 = BGHReport 2009, 503 = BRAK-Mitt 2009, 69 = DAR 2009, 201 (nur Ls.) = DB 2009, 448 = EWiR 2009, 431 (nur Ls.) (Anm. Römermann) = jurisPR-BGHZivilR 3/2009 Anm. 1 (Anm. Reinelt) = MDR 2009, 473 = NJW 2009, 987 = NJW-Spezial 2009, 126 = WM 2009, 324 = zfs 2009, 255 (Anm. Diehl) (BVerfG v. 22.4.2009 – 1 BvR 386/09 – hat die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen).
[180] BGH v. 17.1.2002 – IX ZR 182/00 – AnwBl 2002, 429 = BGHReport 2002, 275 = BRAK-Mitt 2002, 117 (nur Ls.) (Anm. Grams) = DB 2002, 1502 (nur Ls.) = FamRZ 2002, 878 = MDR 2002, 547 = NJW 2002, 1048 (Anm. Zugehör NJW 2003, 3225) = VersR 2002, 887 = WM 2002, 513; BGH v. 25.6.1974 – VI ZR 18/73 – NJW 1974, 1865. Siehe auch BVerfG v. 12.8.2002 – 1 BvR 399/02 – BRAK-Mitt 2002, 224 (Anm. Grams) = FamRZ 2002, 1693 = JZ 2003, 419 (Anm. Mäsch) = MDR 2002, 1339 = NJW 2002, 2937: Die anwaltliche Berufsausübung ist durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnet, der einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung grundsätzlich entgegensteht. Verfassungsrechtlich bedenklich ist die Auffassung, dass rechtsfehlerhaftes Unterlassen eines Gerichts, das die Folgen eines anwaltlichen Fehlers perpetuiert, haftungsrechtlich unbeachtlich ist, de...

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