Rz. 1156

Bei der Spätschadenbetrachtung ist stets auch die Möglichkeit einer Verjährung zu bedenken (siehe auch § 5 Rdn 378 ff.).

 

Rz. 1157

In die Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB sind bei einem Feststellungsurteil die während des Laufs der Verjährung bezifferbaren Spätfolgeschäden eingeschlossen. Der Ersatzpflichtige kann auf Schadenersatz für Spätfolgen nur innerhalb dieser Frist von 30 Jahren in Anspruch genommen werden.[1047]

[1047] OLG Düsseldorf v. 23.6.1994 – 18 U 241/93 – JMBl NW 1995, 44 = MDR 1995, 160.

a) Schadenseinheit

 

Rz. 1158

 

Hinweis

Siehe auch § 5 Rdn 371.

 

Rz. 1159

Der gesamte aus einer unerlaubten Handlung entspringende Schaden stellt sich verjährungsrechtlich nicht als Summe einzelner selbstständiger, nicht zusammenhängender Schäden, sondern als Einheit dar, die alle Folgezustände umfasst, die im Zeitpunkt der Erlangung allgemeinen Wissens um den Schaden überhaupt nur als möglich vorauszusehen waren (Schadeneinheit).[1048]

 

Rz. 1160

Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Schadens im Allgemeinen und umfasst alle – auch künftigen – Beeinträchtigungen und Schadenfolgen, deren Eintritt im Zeitpunkt der allgemeinen Schadenkenntnis nur als möglich voraussehbar waren. Es genügt, wenn bei allgemeiner Kenntnis vom Schaden Spätfolgen als möglich voraussehbar waren.[1049] Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist der Eintritt der ersten Schadensfolge. Treten später weitere Folgen hinzu, beginnt die Verjährung nicht von neuem.[1050] Die volle Übersehbarkeit des Umfanges und der Höhe des Schadens ist, da der Schaden eine Einheit ­darstellt, für den Verjährungsbeginn nicht erforderlich. Bei späten Schadenfolgen, die durch eine ab­geschlossene unerlaubte Handlung entstehen, beginnt die Verjährungsfrist auch für nachträglich auf­tretende Verschlimmerungen, die im Zeitpunkt der Kenntnis vom Schaden als möglich vorhersehbar waren, mit diesem Zeitpunkt.[1051]

 

Rz. 1161

Nur für Spätfolgen, die auch für Fachkreise nicht voraussehbar waren, weil sie nach anscheinend leichten Verletzungen später unerwartet auftreten, läuft seit ihrem Bekanntwerden und der Kenntnis des Kausalzusammenhanges mit dem Schadenereignis eine besondere Verjährungsfrist (siehe auch § 5 Rdn 377).[1052] Der Grund für diese Sonderstellung eines Geschädigten liegt darin, dass er nach dem sich ihm zunächst zeigenden Schadenbild keine naheliegende Veranlassung hatte, sich über etwaig später eintretende Schäden von einem Fachkundigen beraten zu lassen oder zur Abwehr der Verjährung eine Feststellungsklage zu erheben.[1053]

 

Rz. 1162

Das gilt auch, wenn der Verletzte einige Zeit nach dem Unfallereignis in einen weiteren Unfall verwickelt wird und deshalb die Möglichkeit besteht, dass die späteren Schäden vom zweiten Unfall herrühren können.[1054] Die Verjährung läuft dann aber nicht erst ab Jahresultimo des Jahres der Erkenntnis, sondern ab dem Tag der tatsächlichen Kenntnis oder aber des Kennenmüssens.

[1048] BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15 – BB 2017, 450 = DB 2017, 7 = MDR 2017, 395 = NJW 2017, 9 = VersR 2017, 693 = ZIP 2017, 21; BGH v. 5.4.2016 – VI ZR 283/15 – MDR 2016, 1265 = NJW-RR 2017, 37 = NZI 2016, 893 = openJur 2016, 7320 = VersR 2016, 1058; BGH v. 23.4.2015 – IX ZR 176/12 – DB 2015, 1282 = DStR 2015, 1887 = MDR 2015, 649 = NJW 2015, 2190 = VersR 2016, 131 = WM 2015, 2064; BGH v. 4.4.1991 – IX ZR 215/90 – BB 1991, 999 = BGHZ 114, 150 (153) = DB 1991, 1320 = MDR 1991, 726 = NJW 1991, 2828 = WM 1991, 1088 = ZIP 1991, 589; BGH v. 23.3.1987 – II ZR 190/86 – BGHZ 100, 228 (232) = DB 1987, 1478 = MDR 1987, 644 = NJW 1987, 1887 = NJW-RR 1987, 925 (nur Ls.) = WM 1987, 648 = ZIP 1987, 776; BGH v. 14.3.1968 – VII ZR 77/65 – BGHZ 50, 21, (23 f.) = DB 1968, 848 = MDR 1968, 574 = NJW 1968, 1324 = WM 1968, 685.
[1049] BGH v. 8.11.2016 – VI ZR 200/15 – MDR 2017, 149 = r+s 2017, 98 = VersR 2017, 170 (Gesamtschuldnerausgleich); BGH v. 16.11.1999 – VI ZR 37/99 – DAR 2000, 115 = JurBüro 2000, 331 (nur Ls.) = MDR 2000, 270 = NJW 2000, 861 = NZV 2000, 204 = r+s 2000, 110 = SP 2000, 86 = VersR 2000, 331 = VRS 98, 264 = zfs 2000, 150; BGH v. 3.6.1997 – VI ZR 71/96 – DAR 1997, 395 = NJW 1997, 2448 = NZV 1997, 395 = r+s 1997, 368 = VersR 1997, 1111 = zfs 1997, 365; BGH v. 20.4.1982 – VI ZR 197/80 – r+s 1982, 141 = VersR 1982, 703 = zfs 1982, 260; BGH v. 10.7.1979 – VI ZR 24/77 – VersR 1979, 1106 = VRS 57, 249; BGH v. 30.1.1973 – VI ZR 4/72 – BB 1973, 539 = MDR 1973, 401 = NJW 1973, 702 = VersR 1973, 371 = VRS 44, 401; OLG Hamm v. 30.11.1992 – 8 U 785/92 – VRS 86, 359 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 5.10.1993 – VI ZR 39/93 –) (Arthroserisiko); OLG Köln v. 16.9.1996 – 12 U 41/6 – SP 1996, 411.
[1050] OLG Koblenz v. 24.2.2015 – 5 U 1320/14 – NJW 2015, 2894 = VersR 2016, 52 (Die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB müssen nicht hinsichtlich des gesamten Schadensbildes vorliegen).
[1051] BGH v. 16.11.1999 – VI ZR 37/99 – DAR 2000, 115 = JurBüro 2000, 331 (nur Ls.) = MDR 2000, 270 = NJW 2000, 861 = NZV 2000, 204 = r+s 2000, 110 = SP 2000, 86 = VersR 2000, 331 = VRS...

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