Rz. 373

Gründe überholender Kausalität können einen reduzierten Kapitalisierungsfaktor bedingen.

 

Rz. 374

Führt eine Ursache (z.B. Verkehrsunfall) den Erfolg herbei und verhindert damit, dass eine andere – auch hypothetisch zu betrachtende – Kausalkette (z.B. schwere Erkrankung, konjunktureller Arbeitsplatzverlust) sich ganz oder teilweise früher oder später auswirkt, kann die Ersatzpflicht gemindert oder ausgeschlossen sein.[336]

 

Rz. 375

Soweit der Erwerbsschaden und die vermehrten Bedürfnisse des Geschädigten infolge einer bereits vorhandenen Erkrankung oder Disposition auch ohne das schadenstiftende Ereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt ganz oder teilweise eingetreten wären (Reserveursache), ist eine Schadensersatzpflicht auf die Nachteile beschränkt, die durch den früheren Schadenseintritt bedingt sind.[337]

 

Rz. 376

Der Schädiger hat nachzuweisen, dass die Reserveursache tatsächlich eingetreten wäre.[338]

 

Rz. 377

Hat eine rechtswidrig ausgeführte Operation zu einer Gesundheitsbeschädigung des Patienten geführt, ist es Sache der Behandlungsseite (z.B. beklagter Arzt) zu beweisen, dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten Eingriff dieselben Beschwerden haben würde, weil sich das Grundleiden in mindestens ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde.[339] Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Schädiger zu beweisen hat, dass sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde, wie der tatsächliche Geschehensablauf.[340]

 

Rz. 378

Die anderweitigen (überholenden) Umstände sind vom Schädiger vorzutragen und zu beweisen.[341]

 

Rz. 379

Auch dem beweispflichtigen Schädiger kommen dabei die Beweiserleichterungen der § 252 BGB, § 287 ZPO zugute.[342]

[336] BGH v. 14.2.1995 – VI ZR 106/94 – VersR 1995, 681; BGH v. 25.4.1972 – VI ZR 134/71 – VersR 1972, 834.
[337] BGH v. 31.5.2016 – VI ZR 305/15 – BeckRS 2016, 12054 = DAR 2017, 75 (nur Ls.) = NJW 2016, 3785 = NJW-Spezial 2016, 617 = openJur 2016, 7344 = r+s 2016, 535; BGH v. 23.10.1984 – VI ZR 24/83 – BeckRS 2010, 06948 = MDR 1985, 395 = NJW 1985, 676 = VersR 1985, 60; BGH v. 5.2.1965 – VI ZR 239/63 – VersR 1965, 491.
[338] BGH v. 31.5.2016 – VI ZR 305/15 – BeckRS 2016, 12054 = DAR 2017, 75 (nur Ls.) = NJW 2016, 3785 = NJW-Spezial 2016, 617 = openJur 2016, 7344 = r+s 2016, 535; BGH v. 5.2.1965 – VI ZR 239/63 – VersR 1965, 49. Siehe zur Reserveursache auch BGH v. 22.3.2016 – VI ZR 467/14 – BeckRS 2016, 07597 = MDR 2016, 822 = NJW 2016, 3522 = openJur 2016, 5679 (Rn 14).
[339] BGH v. 22.3.2016 – VI ZR 467/14 – BeckRS 2016, 07597 = NJW 2016, 3522 = MDR 2016, 822 = openJur 2016, 5679; BGH v. 5.4.2005 – VI ZR 216/03 – MDR 2005, 1109 = NJW 2005, 2072 = VersR 2005, 942; BGH v. 13.1.1987 – VI ZR 82/86 – MDR 1987, 572 = NJW 1987, 1481 = NJW-RR 1987, 857 (nur Ls.) = VersR 1987, 667 (668); vgl. auch BGH v. 7.10.1980 – VI ZR 176/79 – BGHZ 78, 209 (214) = MDR 1981, 218 = NJW 1981, 628 = VersR 1981, 131; BGH v. 6.12.1988 – VI ZR 132/88 – BGHZ 106, 153 (156) = MDR 1989, 437 = NJW 1989, 1538 = NJW-RR 1989, 726 (nur Ls.) = VersR 1989, 253.
[340] BGH v. 22.3.2016 – VI ZR 467/14 – BeckRS 2016, 07597 = MDR 2016, 822 = NJW 2016, 3522 = openJur 2016, 5679; BGH v. 5.4.2005 – VI ZR 216/03 – MDR 2005, 1109 = NJW 2005, 2072 = VersR 2005, 942; BGH v. 19.4.2005 – VI ZR 175/04 – BGHReport 2005, 1107 = DAR 2005, 441 = HVBG-Info 2006, 380 = MDR 2005, 1108 = NJW-RR 2005, 897 = NJW-Spezial 2005, 304 = NZV 2005, 461 = r+s 2006, 38 = SP 2005, 259 = VersR 2005, 945 = VRS 109, 98. Plagemann, Beweislastverteilung in der gesetzlichen Unfallversicherung, VersR 1997, 9.
[341] BGH v. 23.10.1984 – VI ZR 24/83 – MDR 1985, 395 = NJW 1985, 676 = r+s 1985, 38 = VersR 1985, 60.
[342] BGH v. 11.11.1997 – VI ZR 376/96 – BGHZ 137, 142 = NJW 1998, 810 = VersR 1998, 201 (Anm. Wessels VersR 2000, 284); OLG Hamm v. 27.8.2001 – 6 U 252/99 – NZV 2002, 171.

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