Rz. 214

Die Beweislast, zur Abwendung des Prozessverlusts alles zu beweisen, was zur Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der anspruchsbegründenden bzw. anspruchsvernichtenden (streitigen) Tatsachen erforderlich ist, korrespondiert mit der Darlegungslast (auch der sekundären), die einer Partei obliegt. Beweislast und Darlegungslast fallen auseinander, wenn erst die Darlegungen des Beklagten die Beweislast des Klägers auslösen oder wenn die Darlegung des Sachverhalts der beweisbelasteten Partei mangels Erkenntnismöglichkeit nicht möglich oder unzumutbar ist.[135]

 

Rz. 215

Der Grundsatz, dass Prozesspartei alle Tatsachen, aus denen sich ihr Anspruch oder Gegenrecht herleitet, zu behaupten und zu beweisen hat, erfährt eine Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann, während dem Prozessgegner die erforderliche tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich und auch zuzumuten ist.[136] Eine sekundäre Darlegungslast besteht auch bezüglich solcher Umstände, die vollständig im Herrschaftsbereich des Gegners der beweisbelasteten Partei liegen, die (nur) er kennt oder kennen muss, so dass es ihm zumutbar ist, nähere Angaben dazu zu machen.[137]

 

Rz. 216

Es handelt sich nur um eine Darlegungsumkehr; nicht aber um eine Beweislastumkehr (keine sekundäre Beweislast).

 

Rz. 217

Bei sekundärer Darlegungslast darf sich der Gegner der primär darlegungspflichtigen Partei nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine näheren Kenntnisse der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während sie der Gegner hat und ihm nähere Angaben dazu zumutbar sind.[138] Dann kann vom Gegner ein substantiiertes Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen verlangt werden.[139]

 

Rz. 218

Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen.[140] Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist.[141]

 

Rz. 219

Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht-beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind.[142] Es obliegt dem Bestreitenden im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen.[143]

[135] Jahnke/Burmann-Müller, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 6 Rn 431 f.; Lehre/Stamer, Sekundäre Darlegungs- und Beweislast, DAR 2017, 510.
[136] BGH v. 16.8.2016 – VI ZR 634/15 – MDR 2016, 1264 = NJW-RR 2016, 1360 = VersR 2016, 1380 (Zwar muss grundsätzlich der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedarf aber einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen); BGH v. 28.6.2016 – VI ZR 559/14 – MDR 2017, 359 = NJW 2016, 3244 = openJur 2016, 8508; BGH v. 3.5.2016 – II ZR 311/14 – MDR 2016, 900 = NJW 2017, 886 = WM 2016, 1231 = ZIP 2016, 1283; BGH v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – AnwBl 2016, 518 = BB 2016, 1484 = MDR 2016, 518 = VersR 2016, 666 = ZIP 2016, 869 (Rn 47 f.); BGH v. 10.2.2013 – VI ZR 343/13 – MDR 2015, 726 = NJW-RR 2015, 1279 = VersR 2015, 1529 = WM 2015, 743 = ZIP 2015, 790 (Rn 11); BGH v. 14.6.2005 – VI ZR 179/04 – BGHZ 163, 210 = FamRZ 2005, 1738 = MDR 2005, 1347 = NJW 2005, 2614 = VersR 2005, 1238 (Rn 18).
[137] BGH v. 14.6.2005 – VI ZR 179/04 – BGHZ 163, 210 = FamRZ 2005, 1738 = MDR 2005, 1347 = NJW 2005, 2614 = VersR 2005, 1238; BGH v. 24.11.1998 – VI ZR 388/97 – MDR 1999, 228 = NJW 1999, 714 = VersR 1999, 774 = ZIP 1999, 105; BGH v. 17.3.1987 – VI ZR 282/85 – BB 1987, 1345 = BGHZ 100, 190 (195 f.) = DB 1987, 1581 = MDR 1987, 748 = NJW 1987, 2008 = VersR 1987, 814 = WM 1987, 815 = ZIP 1987, 845.
[138] BGH v. 3.6.2014 – VI ZR 394/13 – MDR 2014, 1081 = NJW 2014, 2797 = openJur 2014, 14175 = VersR 2014, 1018; BGH v. 14.6.2005 – VI ZR 179/04 – BGHZ 163, 210 = FamRZ 2005, 1738 = MDR 2005, 1347 = NJW 2005, 2614 = VersR 2005, 1238; BGH v. 7.12.1998 – II ZR 266/97 – BGHZ 140, 156...

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