Rz. 903

Soll die Abfindung nicht alle Ansprüche erfassen und wird daher ein Vorbehalt in die Erklärung aufgenommen, ist Etliches zu beachten.

a) Vorbehaltstext

 

Rz. 904

Der Vorbehalt muss möglichst exakt umschrieben sein.[778] Formulierungen wie "bei erheblicher Verschlechterung", "bei Verschlimmerung" verursachen regelmäßig Probleme bei einer späteren Regulierung und sollten daher nicht verwendet werden.

 

Rz. 905

Für den Erklärungsinhalt eines Abgeltungsvergleiches ist es gleichgültig, wer (Anspruchsteller selbst, sein Anwalt oder der Regulierungsbeauftragte des Ersatzpflichtigen) den Vorbehalt in den Vergleichstext geschrieben hat.[779]

 

Rz. 906

Werden "immaterielle Ansprüche nach BGH-Rechtsprechung[780]" vorbehalten, sollen nur vorbehalten sein Ansprüche aufgrund unvorhergesehener und unvorsehbarer Spätfolgen (siehe ergänzend Rdn 1135 ff.).[781] In seiner Entscheidung v. 8.7.1980 führt der BGH[782] aus, dass weiteres Schmerzensgeld nur für solche Verletzungsfolgen verlangt werden könne,

 

Rz. 907

Zitat

"die bei der ursprünglichen Bemessung des immateriellen Schadens noch nicht eingetreten waren oder mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war. Nur wenn es sich um Verletzungsfolgen handelt, an die auch ein mit der Beurteilung des Ausmaßes und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung eines unfallursächlichen Körperschadens des Verletzten beauftragter Sachverständiger nicht zu denken brauchte, die aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit schließlich doch eingetreten sind, darf angenommen werden, dass sie vom Streit- und Entscheidungsgegenstand eines vorausgegangenen Schmerzensgeldprozesses nicht erfasst sind, ihrer Geltendmachung daher die Rechtskraft nicht entgegensteht."

 

Rz. 908

Bei Abschluss des Vergleiches bereits absehbare Schäden erfasst der Vorbehalt nicht.[783] Diese sind abgegolten. Eine Abänderung des Vergleiches ist nur ausnahmsweise möglich.

 

Rz. 909

 

Übersicht 2.18: Vorbehalte in Abfindungserklärungen

Es empfiehlt sich eine klare Beschreibung, z.B.:[784]

"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens[785] ab 15.6.2017."

"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die unfallbedingte MdE dauerhaft[786] 50 % übersteigt."[787]

"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die unfallbedingte MdE für mindestens 24 Monate 50 % übersteigt."

"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die MdE[788] unfallbedingt dauerhaft 50 % übersteigt,[789] und zwar soweit kein Forderungsübergang auf Drittleistungsträger stattgefunden hat."

"… für den Fall der unfallbedingten[790] Amputation des linken Fußes."

 

Rz. 910

 

Hinweis

Zu den Messgrößen (wie MdE, GdS) siehe Rdn 152 ff., zum Begriff der Dauerhaftigkeit siehe Rdn 912 ff.

 

Rz. 911

Ein Vorbehalt kann auch zeitlich befristet sein, z.B.:

"… für noch 2 Jahre ab 1.8.2017."

"… bis zum 31.12.2120."

[778] Zur Auslegung eines Vorbehaltsvergleiches siehe u.a. OLG Hamm v. 25.4.1994 – 6 U 82/93 – NJW 1995, 790 = r+s 1995, 17.
[779] OLG Thüringen v. 24.11.2004 – 4 U 399/04 – OLG-NL 2005, 54 = SVR 2005, 383 (Anm. Nehls).
[780] Häufig ist BGH v. 8.7.1980 – VI ZR 72/79 – MDR 1981, 42 = NJW 1980, 2754 = VersR 1980, 975 gemeint (vgl. OLG Oldenburg v. 28.2.2003 – 6 U 231/01 – VersR 2004, 64 = zfs 2003, 590, BGH hat Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, Beschl. v. 30.9.2003 – VI ZR 90/03 –); ähnlich auch BGH v. 24.5.1988 – VI ZR 326/87 – DAR 1988, 311 = MDR 1988, 951 = NJW 1988, 2300 = NZV 1988, 99 = VersR 1988, 929 = VRS 75, 270; BGH v. 7.2.1995 – VI ZR 201/94 – BB 1995, 696 (nur Ls.) = DAR 1995, 250 = DB 1995, 2524 (nur Ls.) = MDR 1995, 357 = MedR 1995, 240 (nur Ls.) = NJW 1995, 1614 = NZV 1995, 225 = r+s 1995, 137 = VerkMitt 1995, Nr. 72 = VersR 1995, 471 = zfs 1995, 172; OLG Hamm v. 17.3.2015 – 28 U 208/13 – BeckRS 2015, 06911 = BRAK-Mitteilungen 2015, 165 (Anm. Grams) = GesR 2015, 291 = NJOZ 2015, 1576; OLG Thüringen v. 9.8.2006 – 7 U 289/06 – NJW-RR 2007, 605 = NJW-Spezial 2007, 605 = NZV 2007, 315 = r+s 2006, 527 = zfs 2007, 27 (Anm. Diehl).
[781] Vgl. OLG Hamm v. 18.10.2000 – 13 U 115/00 – OLGR 2002, 67 = r+s 2001, 505; OLG Thüringen v. 9.8.2006 – 7 U 289/06 – NJW-RR 2007, 605 = NJW-Spezial 2007, 605 = NZV 2007, 315 = r+s 2006, 527 = zfs 2007, 27 (Anm. Diehl) (BGH v. 12.6.2007 – VI ZR 196/06 – hat das OLG-Urteil aufgehoben und zurückverwiesen, da eben nicht unstreitig sei, dass die Verletzungsfolgen objektiv vorhersehbargewesen seien [Gehörsrüge]); LG Hannover v. 10.12.2001 – 20 O 2450/01 – SP 2002, 126 (Eingeschränkte Reichweite eines "immateriellen Vorbehaltes": Kein weiteres Schmerzensgeld für beim Vergleichsabschluss eingetretene oder bereits absehbare Verletzungsfolgen.).
[782] BGH v. 8.7.1980 – VI ZR 72/79 – MDR 1981, 42 = NJW 1980, 2754 = VersR 1980, 975.
[783] OLG Hamm v. 18.10.2000 – 13 U 115/00 – OLGR 2002, 67 = r+s 2001, 505; OLG Oldenburg v. 28.2.2003 – 6 U 231/01 – VersR 2004, 64 = zfs 2003, 590 (BGH ...

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