Rz. 1243

Der Anwalt kann in derselben Angelegenheit Gebühren nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 RVG). Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Anwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Um "dieselbe Angelegenheit" annehmen zu können, müssen folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:

Neben einem einheitlichen Auftrag und
einem gleichen Tätigkeitsrahmen
muss zwischen den einzelnen Gegenständen ein innerer objektiver Zusammenhang bestehen,

d.h. es muss sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handeln.[1131]

 

Rz. 1244

Der BGH[1132] führt dazu aus:

Zitat

"Ein Rechtsanwalt kann die Gebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV auch dann nur einmal aus dem Gesamtgegenstandswert und nicht zweimal aus (dann niedrigeren) Teilgegenstandswerten verlangen, wenn die von ihm für seinen Mandanten geltend gemachte Forderung außergerichtlich nur teilweise erfüllt wird und ihm deshalb für den noch offenen Teil der Forderung Klageauftrag erteilt wird."

Ob die Gebühren für die Inanspruchnahme anwaltlicher Tätigkeit einheitlich aus einem Gesamtwert oder, was für den Rechtsanwalt insbesondere im Hinblick auf den degressiven Verlauf der Gebührentabelle regelmäßig günstiger ist, jeweils gesondert aus dann niedrigeren Teilwerten berechnet werden, hängt – wie sich aus §§ 15, 22 RVG ergibt – davon ab, ob es sich um eine oder mehrere Angelegenheiten handelt. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne wird dabei das gesamte Geschäft verstanden, das der Rechtsanwalt auftragsgemäß für seinen Auftraggeber besorgen soll.[1133] Vorliegend war dies die außergerichtliche Geltendmachung der gesamten Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Unfallverursacher und die hinter ihnen stehende Haftpflichtversicherung.

Durch die weiteren Geschehensabläufe hat sich hieran nichts geändert. Die maßgebliche Einheitlichkeit des Auftrags wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die vom Rechtsanwalt geschuldete außergerichtliche Geltendmachung einer Forderung nur teilweise zum Erfolg führt. Denn auch die sich nach Zahlung eines Teilbetrags ggf. nur noch auf einen Teilbetrag der ursprünglichen Forderung beziehende außergerichtliche Tätigkeit wird vom Rechtsanwalt aufgrund des ursprünglichen Auftrags geschuldet. Ebenso wenig führt der Umstand, dass dem Rechtsanwalt hinsichtlich des vorgerichtlich nicht ausgeglichenen Teils der Forderung schließlich auch Klageauftrag erteilt wird, dazu, dass seine vorgerichtliche Tätigkeit insoweit nicht mehr vom ursprünglichen Auftrag umfasst wäre.“

 

Rz. 1245

Auftragsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen nur dann i.d.R. ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann.[1134]

 

Rz. 1246

Ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, ergibt sich aus den jeweiligen Einzelfallumständen, maßgeblich bestimmt durch den Inhalt des erteilten Auftrags.[1135]

 

Rz. 1247

Die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger ist eine einzige Angelegenheit, wenn den Schädigern eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist.[1136]

 

Rz. 1248

Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit besteht auch, wenn der Anwalt verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat.[1137]

 

Rz. 1249

Vom Begriff der Angelegenheit ist der Begriff des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit zu unterscheiden. Von einer Angelegenheit können mehrere Gegenstände und Rechtsverhältnisse, die Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit sind, umfasst sein.[1138]

[1131] BGH v. 7.5.2015 – III ZR 304/14 – BGHZ 205, 260 = JurBüro 2015, 462 = MDR 2015, 754 = NJW 2015, 3782 = openJur 2015, 11036 = VersR 2016, 475; OLG Frankfurt v. 1.7.2004 – 1 U 54/03 – NJW-RR 2005, 67 (68).
[1132] BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 396/13 – MDR 2014, 864 = NJW-RR 2014, 1341 = NZV 2014, 567 = VersR 2014, 1100.
[1133] BGH v. 19.12.2012 – IV ZR 186/11 – AnwBl 2013, 234 = NJ 2013, 3 = NJW 2013, 1610 = NZV 2013, 239 = Rpfleger 2013, 291 = VersR 2013, 1415 (Rn 19); BGH v. 13.12.2011 – VI ZR 274/10 – ags 2012, 152 = AnwBl 2012, 284 = DAR 2012, 140 = jurisPR-VerkR 4/2012 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = MDR 2012, 342 = NJW 2012, 919 = NJW-Spezial 2012, 105 = NZV 2012, 16 = r+s 2012, 357 = SP 2012, 1229 = SVR 2012, 224 = VersR 2012, 331 = VRS 122, 324 = zfs 2012, 223 (Anm. Hansens) (Rn 9); BGH v. 17.11.1983 – III ZR 193/82 – MDR 1984, 561 = NJW 1984, 1188 (nur Ls.) = Rpfleger 1984, 202.
[1134] BGH v. 17.11.2015 – VI ZR 493/14 – openJur 2015, 21334; BGH v. 17.11.2015 – VI ZR 492/14 – AnwBl 2016, 173 = GRUR 2016, 318 = MDR 2016, 110 = NJW 2016, 1245 = openJur 2015, 21347 = VersR 2016, 412; BGH v. 12.7.2011 – VI ZR 214/10 – GRUR-RR 2012, 90 = MDR 2011, 1013 = NJW 2011, 3657 = WRP 2011, 1192 (Rn 22); BGH v. 21.6.2011 – VI ZR 73/10 – FamRZ 2011, 129...

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