(a) Forderungsübergang

 

Rz. 1027

Verdienstausfallansprüche (oder andere in regelmäßig wiederkehrender Höhe zu entrichtende Rentenbeträge), die einem Verletzten für die Zukunft zustehen, müssen ihm ohne Berücksichtigung etwaiger Sozialhilfeansprüche zuerkannt werden.[889] Im Hinblick auf den Subsidiaritätscharakter der Sozialhilfe muss ein Geschädigter seinen Lebensbedarf zunächst aus dem Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger decken, bevor er auf die Sozialhilfe zurückgreifen kann.

 

Rz. 1028

Der Forderungsübergang auf den SHT erfolgt bereits, sobald infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, insbesondere auch für eine Bedürftigkeit des Verletzten, mit der Leistungspflicht eines SHT zu rechnen ist. Erforderlich für den Rechtsübergang ist also, dass nach den konkreten Einzelfallumständen Sozialleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind.[890] Zugleich hat der BGH[891] den Schutz des Schadenersatzverpflichteten nach §§ 407 Abs. 1, 412 BGB (gutgläubige Leistung an einen Nichtberechtigten) drastisch eingeschränkt: An die Kenntnis des Forderungsüberganges seien "nur maßvolle Anforderungen zu stellen, um den Schutz der sozialen Leistungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubiger unterlaufen zu können".

 

Rz. 1029

Unterfällt der Schadenfall der Zuständigkeit eines UVT, sind (auch spätere) Leistungen eines SHT regelmäßig nicht wahrscheinlich. Jedenfalls erfolgt ein Forderungswechsel zum SHT nicht im Unfallzeitpunkt, da sich noch keine konkreten Fallumstände für die Eintrittspflicht eines SHT abzeichnen. Die Abfindung des UVT schließt Ansprüche des SHT aus, da dann von Gesamtgläubigerschaft auszugehen ist.

 

Rz. 1030

Die Voraussehbarkeit hat sich auch zugleich auf die (u.U. erst künftig eintretende) Bedürftigkeit der geschädigten Person zu erstrecken.[892]

 

Rz. 1031

Ein rechtskräftiges, vom Geschädigten erstrittenes Feststellungsurteil wirkt ebenso wie ein titelersetzendes Anerkenntnis auch zugunsten – aber auch zulasten – des SHT (siehe ergänzend Rdn 1000).[893]

 

Rz. 1032

Für den Lauf der Verjährung gegenüber dem SHT kommt es nicht auf den (i.d.R. recht frühen) Kenntnisstand des Geschädigten an, sondern (zur Vermeidung einer Schlechterstellung des SHT gegenüber einem SVT) auf die Kenntnis des beim SHT regressbefugten Sachbearbeiters (siehe § 5 Rdn 427 ff.).[894]

 

Rz. 1033

Trotz Forderungsüberganges auf den SHT verbleibt dem Geschädigten die Ermächtigung, vom Schädiger die Ersatzleistung einzufordern (Nachrang der Sozialhilfe).

[889] BGH v. 3.3.1998 – VI ZR 385/96 – DAR 1998, 231 = EWiR 1998, 393 (Anm. Grunsky) = MDR 1998, 595 = NJW 1998, 1634 = NZV 1998, 279 = r+s 1998, 196 = SP 1998, 241 = VersR 1998, 772 = zfs 1998, 210; BGH v. 4.3.1997 – VI ZR 243/95 – MDR 1997, 937 = NJW 1997, 2943 = NZV 1997, 302 = r+s 1997, 371 = SP 1997, 245 = VersR 1997, 751 = VRS 97, 269 = zfs 1997, 250.
[890] BGH v. 4.3.1997 – VI ZR 243/95 – MDR 1997, 937 = NJW 1997, 2943 = NZV 1997, 302 = r+s 1997, 371 = SP 1997, 245 = VersR 1997, 751 = VRS 97, 269 = zfs 1997, 250; BGH v. 9.7.1996 – VI ZR 5/95 – BGHZ 133, 192 = EWiR 1996, 899 (nur Ls.) (Anm. Plagemann) = FamRZ 1996, 1211 (nur Ls.) = HVBG-Info 1996, 2315 = JR 1997, 192 (Anm. Schmitt) = MDR 1996, 1120 = NJW 1996, 2933 = NJWE-VHR 1996, 213 = NJW-RR 19966, 1365 (nur Ls.) = NVwZ 1996, 1245 (nur Ls.) = NZV 1996, 445 = r+s 1996, 398 = SGb 1997, 343 (Anm. Wank) = SP 1996, 345 = VerkMitt 1997, Nr. 44 = VersR 1996, 1258 (Anm. Rischar VersR 1998, 27) = VRS 92, 93 = WI 1996, 171; BGH v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95 – NJW 1996, 2508 = NZV 1996, 402 = r+s 1996, 404 = SP 1996, 312 = VersR 1996, 1126 = zfs 1996, 140; BGH v. 13.2.1996 – VI ZR 318/94 – BGHZ 132, 39 = DAR 1996, 357 = JR 1996, 505 (Anm. Fuchs) = LM BGB § 844 Abs. 2, Nr. 93 = MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = NVwZ 1996, 824 = NZV 1996, 229 = r+s 1996, 311 = SGb 1996, 328 = SP 1996, 168 = VersR 1996, 649 = VRS 91, 267; BGH v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – BGHZ 131, 274 = NJW 1996, 726 = NZV 1996, 110 = r+s 1996, 102 = SP 1996, 79 = VersR 1996, 349 = WI 1996, 34 = zfs 1996, 90.
[891] BGH v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – BGHZ 131, 274 = NJW 1996, 726 = NZV 1996, 110 = r+s 1996, 102 = SP 1996, 79 = VersR 1996, 349 = zfs 1996, 90; OLG München v. 13.5.2011 – 10 U 4762/10 – UV-Recht Aktuell 2011, 744.
[892] OLG Hamm v. 17.8.2009 – 13 U 109/08 – VersR 2010, 1058; LG Memmingen v. 16.5.2013 – 34 O 1972/12 – DAR 2014, 275 (nur Ls.) (nachgehend OLG München Hinweisbeschl. v. 26.9.2013 – 24 U 2200/13 –, Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen) (Für einen Rechtsübergang auf den SHT ist erforderlich, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles Sozialleistungen durch diesen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind. Dies ist dann der Fall, soweit und sobald infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, auch für eine Bedürftigkeit des Geschädigten, mit der Leistungspflicht des SHT ernsthaft zu rechnen ist.); Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 7 Rn 70; Jahnke/Thinesse-...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge