a) Geschäftsbesorgungsvertrag

 

Rz. 730

Das Mandatsverhältnis ist ein zivilrechtlicher Vertrag, und zwar – jedenfalls bei der Abwicklung von Schadenersatzansprüchen aus Haftpflichtereignissen – ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB).[601]

 

Rz. 731

 

Hinweis

Ein Anwalt sollte sich vergewissern, wer auf Mandantenseite parallel ebenfalls tätig bzw. involviert ist (z.B. Gewerkschaft, weiterer Anwalt für sozialrechtliche oder arbeitsrechtliche Fragestellungen, Geschädigtenverband).

[601] Palandt-Sprau, 76. Aufl. 2017, § 675 BGB Rn 23 "Rechtsanwalt".

b) Wirksamkeit

aa) Interessenkollision

 

Rz. 732

 

Hinweis

Siehe auch Rdn 740 ff., 1225 ff.

 

Rz. 733

Der Anwalt hat über die Gefahr kollidierender Interessen zu beraten.[602]

 

Rz. 734

Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot führt i.d.R. dann nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, wenn das Verbot dispositiv ist, also von den Parteien einverständlich abbedungen werden kann. Dispositive Verbote verlangen nicht nach einer grundsätzlichen Nichtigkeitssanktion. Können die Parteien aber nicht über den Bestand des Verbotes verfügen, bleibt es bei der Nichtigkeit.[603]

 

Rz. 735

Ein Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist nichtig.[604] Verträge, die gegen die berufsrechtlichen Tätigkeitsverbote des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO (rechtsbesorgende Tätigkeit in derselben Angelegenheit),[605] des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO[606] (Tätigwerden in derselben Rechtssache u.a. als Richter, Staatsanwalt, Angehöriger des öffentlichen Dienstes, Notar) und das Tätigkeitsverbot des § 43a Abs. 4 BRAO (Vertretung bei widerstreitenden Interessen)[607] verstoßen, sind gemäß § 134 BGB nichtig. Der Schutzzweck dieser Verbote (Schutz des Vertrauens in die Rechtspflege und die Eindämmung von Interessenkollisionen) liefe weitgehend leer, wenn der Anwalt aus seiner verbotswidrigen Tätigkeit eine Vergütung beanspruchen könne.[608]

 

Rz. 736

Ein Anwaltsvertrag verstößt nicht schon deshalb gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu ­vertreten, weil der Anwalt im Gebühreninteresse für den Mandanten nachteilige Maßnahmen treffen könnte.[609]

 

Rz. 737

Der berufsrechtliche Verstoß hat auch Auswirkungen auf die konkrete Schadensabwicklung. Der Vertrag zwischen Anwalt und Mandant beruht auf einem Rechtsverstoß, was wiederum zur Nichtigkeit des zwischen Mandanten und Anwalt bestehenden Vertrages führt (§ 134 BGB).[610] Bei einem nichtigen Mandatsverhältnis besteht auch kein Gebührenanspruch im Mandatsverhältnis, sodass im Schadenersatzverhältnis dann auch keine Erstattung verlangt werden kann.[611] Der verbotswidrig geschlossene Vertrag ist nichtig und begründet auch dann keine Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts, wenn sich die Beratung nicht im Nachhinein als wertlos erweist und gebührenpflichtig von einem neuen Anwalt wiederholt werden muss.[612]

 

Rz. 738

Die anwaltliche (Inkasso-)Vollmacht ist unwirksam, so dass eine Zahlung an den Rechtsanwalt keine Erfüllungswirkung haben könnte. Es helfen u.U. hier allerdings die Grundsätze der Anscheinsvollmacht weiter.

[602] Zu den Belehrungspflichten des Anwaltes siehe BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 322/12 – AnwBl 2013, 933 = DB 2013, 8 = MDR 2013, 1495 = NJW 2013, 32 = openJur 2013, 41191 = VersR 2014, 336.
[603] BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14 – AnwBl 2016, 594 = MDR 2016, 855 = NJW 2016, 2561 = ZIP 2016, 1443 (§ 43a IV BRAO schützt nicht nur die Interessen des jeweils betroffenen Mandanten, sondern auch die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung). Siehe auch BGH v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11 – AnwBl 2012, 769 = FamRZ 2012, 1563 = NJW 2012, 3039 (Rn 10).
[604] BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14 – AnwBl 2016, 594 = MDR 2016, 855 = NJW 2016, 2561 = ZIP 2016, 1443 m.w.H.; BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 60/08 – AnwBl 2009, 649 = BRAK-Mitt 2009, 189 = FamRZ 2009, 1319 = MDR 2009, 996 = NJW-RR 2010, 67 = VersR 2010, 670 = WM 2009, 1296 hatte noch offen gelassen, ob der Verstoß gegen § 43a IV BRAO zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages gemäß § 134 BGB führt. Siehe auch BGH v. 20.6.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14 – NJW 2016, 3105 = openJur 2016, 7423 (Verbot der Verauslagung von Reparatur-, Sachverständigen- und Abschleppkosten durch Anwaltskanzleien). BGH v. 23.4.2009 – IX ZR 167/07 – AnwBl 2009, 653 = MDR 2009, 1011 = NJW 2009, 3297 = VersR 2010, 667 = WM 2009, 1249 = ZIP 2009, 1767 (Kein Verlust des Anwaltshonorars, das vor Pflichtenkollision entstanden ist); BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 270/02 – MDR 2004, 202 = NJW 2004, 1169 = VersR 2005, 651 = WM 2004, 478; LG Karlsruhe v. 6.10.2016 – 10 O 219/16 – juris (Es war schon zuvor in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem Verstoß des Anwalts gegen § 43a IV BRAO eine Nichtigkeit des Anwaltsvertrages anzunehmen ist, vgl. OLG Karlsruhe Urt. v. 26.4.2001 – 2 O 1/00 – NJW 2001, 3197 [Rn 44, 54). Nachdem der BGH in seinen Urteilen v. 23.4.2009 – IX ZR 167/07 – NJW 2009, 3297 und v. 19.9.2013 – IX ZR 322/12 – NJW 2013, 3725 die Frage einer Nichtigkeit d...

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