Rz. 380

Der Umfang der Verkehrssicherungspflichten wird durch die Eigenart der landwirtschaftlichen Betriebe und den daraus resultierenden typischen Gefahren geprägt. Dementsprechend muss ein Besucher eines landwirtschaftlichen Betriebs mit betriebsbedingten Eigenarten rechnen und sich besonders umsichtig verhalten.[1076] Zu beachten ist auch, dass der Landwirt gemäß § 60 BNatSchG und entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften nicht für naturtypische Gefahren haftet, die sich aus dem grundsätzlich gestatteten Betreten der freien Landschaft ergeben.[1077]

Stellt ein Landwirt einen mit Stroh beladenen Anhänger in ländlicher Gegend wegen einer Reifenpanne über Nacht unter einer Autobahnbrücke ab, kann er weder aus § 7 StVG noch aus § 823 BGB in Anspruch genommen werden, wenn sich das Stroh über Nacht aus unbekannter Ursache entzündet und durch den Brand ein Schaden an der Brücke entsteht.[1078]
Besichtigung: Ein Hofeigentümer darf bei einer Hofbesichtigung eine für ihn erkennbare Gefahrenstelle den Besuchern nicht ohne besondere Sicherungsmaßnahmen zugänglich machen.[1079] Allein aus der Verletzung einer entsprechenden Unfallverhütungsvorschrift für den Betrieb einer Siloanlage, deren Zweck die Verhütung von Arbeitsunfällen ist, folgt nicht zwingend (vgl. o. Rdn 279), dass der Landwirt auch die gegenüber den Besuchern bei Besichtigung der Anlage bestehende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.[1080]
Deckakt und Deckstation: Zur Sorgfaltspflicht eines Bullenhalters bei der Überwachung des Deckakts: OLG Oldenburg, Urt. v. 27.11.1962 – 4 U 22/62, VersR 1963, 444; Haftung für Schäden durch Infizierung von Rindern mit Trichomonadenseuche auf der Deckstation einer Gemeinde: BGH, Urt. v. 15.12.1977 – III ZR 118/75, VersR 1978, 253.
Dreschmaschine: Strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflicht gelten für einen Maschinenführer, der mit seiner Dreschmaschine in der Scheune arbeitet.[1081]
Giftige Flüssigkeiten: Begleiter einer Schafherde brauchen nicht mit dem Vorhandensein einer ungesicherten giftigen Flüssigkeit in unmittelbarer Straßennähe zu rechnen.[1082]
Kabelschaden beim Tiefpflügen: Ein Landwirt haftet für die Beschädigung des Steuerungskabels einer im Boden verlegten, markierten Gasleitung beim Tiefpflügen.[1083]
Mähmaschine: Ein Landwirt, der mit einer Mähmaschine arbeitet, hat dafür Sorge zu tragen, dass sich keine Kinder im Bereich der Mähmaschine aufhalten.[1084] Wird ein Traktor mit Mähwerk in der Nähe einer Straße oder eines sonstigen allgemein zugänglichen Weges eingesetzt, hat der Fahrer alles zu tun, um Steinschlagschäden zu vermeiden.[1085]
Öffnen einer Stalltüre: Das Öffnen einer Stalltür darf nicht die Gefahr eines unkontrollierbaren Entlaufens von Rindern herbeiführen.[1086]
Rodungsarbeiten: Wer brandgefährliche Rodungsarbeiten verrichtet, ist verpflichtet, die erforderlichen Vorkehrungen zum Schutze der benachbarten Waldbestände zu treffen; hierbei kann sich die Verpflichtung ergeben, um das zu kultivierende Gelände einen Feuerschutzstreifen anzulegen.[1087]
Unterbringung von Geräten und Maschinen: Die Verhältnisse der Landwirtschaft können es erfordern, Geräte an leicht zugänglichen Orten abzustellen. Die Unterbringung von Geräten und Maschinen in einem offenen Schuppen, der innerhalb eines dörflichen Siedlungsgebietes und zehn Meter von einer Straße liegt, die als sog. Spielstraße beschildert ist, kann aber Sicherungsmaßnahmen er­fordern.[1088]
Verschmutzung von Wegen: Auf Wirtschaftswegen besteht keine Pflicht, mit dem landwirtschaftlichen Betrieb üblicherweise verbundene Verschmutzungen zu beseitigen.[1089] Das Lagern von Schotter auf einem Wirtschaftsweg, der den gesamten Weg versperrt, begründet allerdings eine – in einem Wald atypische – Gefahr.[1090] Eine höhere Geschwindigkeit als 35 km/h kann nach Breite und Qualität des Wirtschaftsweges sowie des vorgesehenen Nutzerkreises zu einem haftungsausschließenden Mitverschulden (§ 254 BGB) führen.[1091]
Absperrung von Wegen während des Viehtriebs: Zur vorübergehenden Absperrung von Wegen während des Viehtriebs darf zwar einfacher Weidedraht benutzt werden; dieser darf aber nach Wiederöffnung der Wege nicht seitlich liegen gelassen werden. Zur Vermeidung nicht ganz fern liegender missbräuchlicher Wegesperrungen durch Dritte und der damit verbundenen Gefahren durch Freizeitsportler sind vielmehr statt des Drahtes besser erkennbare, einfach zu handhabende und leicht und billig zu beschaffende Absperrmittel (z.B. rotweiße Plastikketten) zu verwenden.[1092]
Weideeinzäunung: Ein Elektrozaun wird als Weideeinzäunung in der Regel nur dann eine ausreichende Sicherung darstellen, wenn er nach Anbringung, Stromstärke, Isolation, Erdungsfreiheit und bei laufender intensiver Überwachung Gewähr dafür bietet, dass bei Berührung des Elektrodrahts die notwendige Stromabgabe gewährleistet ist und die Tiere durch den Stromstoß von einem Ausbrechen zurückgehalten werden; insoweit ist der Elektrozaun einem Stacheldrahtzaun oder Knotengitter ...

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