Rz. 647

Gemäß § 31 BGB haftet der Verein bzw. die Körperschaft (siehe Rdn 645) für das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln des Vorstands, der Mitglieder des Vorstandes und anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter. In entsprechender Anwendung gilt die Norm auch für andere Organe wie die Mitgliederversammlung, den Aufsichtsrat oder den Disziplinarausschuss.[1880] Ordnet die Satzung Gesamtvertretung an, genügt das Verschulden eines Vertreters.[1881] Setzt die Haftungsnorm arglistiges Verhalten voraus, ist an eine Wissenszusammenrechnung zu denken.[1882] Ist der Handelnde Organ mehrerer juristischer Personen, entscheidet über die Zuordnung seiner Handlungen die Sicht eines objektiven Beurteilers.[1883]

 

Rz. 648

Den Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters legen Rechtsprechung und Literatur bewusst weit aus, um den Anwendungsbereich des § 831 BGB einzuschränken.[1884] Er braucht keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht zu besitzen[1885] und seine Tätigkeit muss auch nicht in der Satzung vorgesehen sein. Es genügt, dass diesem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung wesentliche Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen wurden mit der Folge, dass er den Verein oder die Gesellschaft insoweit repräsentiert.[1886] Stets ist das Auftreten der Person nach außen maßgebend.[1887] Eine Weisungsgebundenheit beseitigt die Haftung nicht.[1888]

 

Rz. 649

Beispielsweise sind als verfassungsmäßig berufene Vertreter angesehen worden:

der Handelsvertreter mit Führungsfunktion im Außendienst,[1889]
der Filialleiter einer Großbank,[1890] einer Auskunftei[1891] und einer Sparkasse,[1892]
der Sozius einer Anwaltskanzlei,[1893]
der Chefarzt oder dessen Vertreter eines Krankenhauses,[1894]
der Leitende ärztliche Direktor einer Privatklinik,[1895]
die Hauswirtschaftsleiterin eines Altenpflegeheimes,[1896]
der Filialleiter eines Supermarktes[1897] bzw. einer Warenhauskette,[1898]
das Mitglied eines als Vereinsvormund oder -pfleger tätigen Vereins gegenüber seinem Mündel oder Pflegling[1899] und
der Streikleiter einer Gewerkschaft.[1900]
Ein Prokurist hat diese Rechtsstellung in der Regel nicht,[1901] es sei denn, ihm ist die selbstständige Durchführung einer wichtigen Aufgabe, etwa einer Baumaßnahme übertragen worden.[1902]
[1880] Vgl. Palandt/Ellenberger, § 31 Rn 5.
[1882] Palandt/Ellenberger, § 31 Rn 5 m.w.N.; anders für das Merkmal der bewussten Täuschung im Rahmen des § 826 BGB: BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, VersR 2016, 1519.
[1886] BGH, Urt. v. 5.3.1998 – III ZR 183/96, VersR 1998, 888; vgl. Erman/Westermann, § 31 Rn 1: Repräsentantenhaftung.
[1887] BGH, Urt. v. 12.7.1977 – VI ZR 159/75, NJW 1977, 2259.
[1888] KG, Beschl. v. 9.7.1996 – 5 W 3253/96, DB 1996, 2381.
[1889] BGH, Urt. v. 5.3.1998 – III ZR 183/96, VersR 1998, 888; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.3.2003 – III ZR 296/11, BGHZ 196, 340.
[1890] BGH, Urt. v. 19.10.1989 – III ZR 92/88, VersR 1990, 203.
[1892] BGH, Urt. v. 6.12.1983 – VI ZR 60/82, VersR 1984, 921.
[1894] BGH, Urt. v. 22.4.1980 – VI ZR 121/78, VersR 1980, 768; BGH, Urt. v. 30.6.1987 – VI ZR 257/86, VersR 1987, 1040.
[1896] OLG Frankfurt, Urt. v. 21.12.1988 – 17 U 222/87, NJW-RR 1989, 419.
[1897] OLG München, Urt. v. 27.2.1973 – 1 U 2415/72, VersR 1974, 269.
[1898] RG, Urt. v. 19.12.1935 – VI 324/35, JW 1936, 915.
[1901] Vgl. RG, Urt. v. 8.10.1917 – VI 131/17, RGZ 91, 1.

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