Rz. 942

Ein Mitverschulden des Geschädigten ist nach § 254 BGB im Anwendungsbereich von § 839 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 34 S. 1 GG zu berücksichtigen.[2920] Es gelten die allgemeinen Regeln. Haftungsausschließend wirkt das Mitverschulden, eine zumutbare anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Anspruch genommen zu haben. Insoweit hat der Geschädigte auch nachzuweisen, dass er eine früher vorhandene Ersatzmöglichkeit nicht schuldhaft versäumt hat.[2921] Liegt dagegen im Bereich der Verkehrssicherungspflicht ein schuldhaftes Fehlverhalten der öffentlichen Hand vor und ereignet sich infolgedessen ein Schadensfall, kann ein Mitverschulden des Geschädigten nur ausnahmsweise anspruchsausschließend wirken, wobei es stets entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.[2922] Hat bei der Entstehung des Schadens auf der Seite des Geschädigten die Gefahr eines Tatbestandes der Gefährdungshaftung (§§ 7, 17 StVG) mitgewirkt, ist auch die Betriebsgefahr anspruchskürzend zu berücksichtigen.[2923]

 

Rz. 943

Die Zurechnung eines Drittverschuldens erfolgt gemäß §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB im Rahmen der Schadensentstehung, wenn bereits vor dem schädigenden Ereignis eine schuldrechtliche Sonderbeziehung bestand. Durch den Erlass eines schadensstiftenden Verwaltungsaktes und dessen Ausnutzung durch den Geschädigten wird zwischen diesem und der handelnden Behörde ein Schuldverhältnis begründet, das den Geschädigten zur Schadensverhütung beziehungsweise -minderung verpflichtet und in dessen Rahmen er sich das Verschulden von ihm hinzugezogener Dritter anrechnen lassen muss.[2924] So muss der Bauantragsteller sich das Mitverschulden seines Architekten, der die fehlende Genehmigungsfähigkeit des gestellten Antrags hätte erkennen müssen, gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.[2925] Die Zurechnung eines schadensverursachenden Verhaltens von Verrichtungsgehilfen erfolgt im Übrigen nach allgemeinen Grundsätzen über § 831 BGB.[2926]

[2921] BGH, Urt. v. 19.3.1992 – III ZR 117/90, BRS 53 Nr. 57.
[2923] BGH, Urt. v. 5.4.1990 – III ZR 4/89, VersR 1991, 72.
[2924] BGH, Beschl. v. 22.2.1989 – III ZR 41/87, VersR 1989, 594; OLG Rostock, Urt. v. 10.10.2002 – 1 U 207/00, OLGR Rostock 2003, 58.
[2926] BGH, Urt. v. 10.7.1980 – III ZR 23/79, DVBl 1981, 96.

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