Rz. 56

Sämtliche Rechtspositionen unterliegen somit der Gesamtrechtsnachfolge und gehen auf die Erben über. Ist das ausnahmsweise einmal nicht der Fall, so geht das Recht ersatzlos unter. Das ist bei Rechten an Dateien mit höchstpersönlichen Inhalten des Erblassers allerdings gerade nicht der Fall und folgt insbesondere auch nicht aus dem Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers.

 

Rz. 57

Das "allgemeine Persönlichkeitsrecht" bleibt nach dem Tod einer Person nur noch ausschnittsweise als "postmortales Persönlichkeitsrecht" bestehen, da eine freie Entfaltung der Persönlichkeit postmortal nicht mehr denkbar ist.[77] Der vermögensrechtliche Teil[78] des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht aber mit dem Tod gemäß § 1922 BGB auf die Erben über.[79] Und auch der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, besteht über den Tod hinaus fort. Auch nach dem Tod ist der Verstorbene gegen Herabwürdigungen und Verfälschungen jedweder Art geschützt. Denn der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den eine Person durch ihre Lebensleistung erworben hat, ist durch den allgemeinen Achtungsanspruch geschützt, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht.[80]

 

Rz. 58

Martini[81] geht davon aus, dass bereits der Einblick unbefugter Dritter in intime Details der Persönlichkeit des Erblassers geeignet ist, das "Lebensbild eines Menschen" zu beeinträchtigen. Unbefugte Dritte sollen dabei auch die Erben sein, da diese nicht notwendigerweise legitime Treuhänder der postmortalen Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen seien. Ein solcher Schutz sei deshalb geboten, weil das Wissen um die Möglichkeit einer späteren Kenntnisnahme durch die Erben den Erblasser bereits zu Lebzeiten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtige.

 

Rz. 59

Auch Martini erkennt aber an, dass zum Nachlass bspw. das analoge, klassisch zu Papier gebrachte Tagebuch des Erblassers gehört. Außerdem vertritt er die Auffassung, dass auf einem lokalen Datenträger gespeicherte Daten mit dem Eigentum am Datenträger auf die Erben übergehen, und zwar unabhängig von der persönlichen Natur der dort gespeicherten Inhalte. Nach seiner Auffassung soll allein für nicht-lokal gespeicherte Daten etwas anderes gelten, etwa für auf dem Server des Anbieters gespeicherte E-Mails des Erblassers (hierzu § 4 Rdn 4 ff., 43 ff.). Wenn also die privaten Dateien auf einem eigenen Speichermedium des Erblassers gespeichert sind, kann als unstreitig gelten, dass die Dateien unabhängig von ihrem Inhalt auf die Erben übergehen (siehe schon Rdn 22).

 

Rz. 60

Tatsächlich liegt Martinis Fehler darin, bereits in der Kenntnisnahme durch die Erben einen Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers anzunehmen. Durch die Kenntnisnahme besonders persönlicher Aufzeichnungen verletzen die Erben den Achtungsanspruch des Erblassers nicht. Das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers begründet kein Recht auf Geheimhaltung – jedenfalls nicht gegenüber seinen Erben.

 

Rz. 61

Ein solcher Schutz ist auch gar nicht notwendig. Der Erblasser hat zu Lebzeiten die Möglichkeit vorzusorgen, etwa indem er Aufzeichnungen vernichtet, die nicht in die Hände der Erben fallen sollen. Für die Zeit nach seinem Tod kann er zudem durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers (siehe auch § 10 Rdn 32) dafür Sorge tragen, dass die Erben seine privaten Aufzeichnungen nicht zur Kenntnis nehmen, wenn er das nicht wünscht. Das gilt unabhängig davon, ob die jeweiligen Inhalte auf Papier, auf einem Tonband, auf einem lokalen Speichermedium oder in der "Cloud"[82] gespeichert sind (siehe hierzu § 4 Rdn 9 ff., 23).

 

Rz. 62

Unterlässt der Erblasser solche Maßnahmen, gehen Dateien und Inhalte nach § 1922 BGB auf die Erben über. Erst wenn sie mit diesen in einer den Erblasser kompromittierenden Weise umgehen, indem sie bspw. intime Aufzeichnungen des Erblassers veröffentlichen, kommen Abwehransprüche in Betracht, die subsidiär die nächsten Angehörigen subjektlos treuhänderisch ausüben.[83] Hierüber wird das Andenken des Verstorbenen vor entstellenden, sein Lebensbild verzerrenden Darstellungen in der Öffentlichkeit geschützt.

[77] BVerfG, Beschl. v. 24.2.1971 – 1 BvR 435/68 (Mephisto), NJW 1971, 1645 = BVerfGE 30, 173; BVerfG, Beschl. v. 5.4.2001 – 1 BvR 932/94 (Wilhelm Kaisen), NJW 2001, 2957, 2959; BVerfG, Beschl. v. 22.8.2006 – 1 BvR 1168/04 (Marlene Dietrich), NJW 2006, 3409; BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 – 1 BvR 1533/07 (Ehrensache), NVwZ 2008, 549 = BeckRS 2008, 31427; BGH, Urt. v. 16.9.2008 – VI ZR 244/07 (Ehrensache), NJW 2009, 751 m. Anm. Gostomzyk.
[78] Schwab, in: Damrau/Muscheler, Festschr. für Bengel/Reimann, S. 345, 347, der dies auf Art. 14 GG zurückführt.
[79] BGH, Urt. v. 1.12.1999 – I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 225 f. = NJW 2000, 2195; BGH, Urt. v. 5.10.2006 – I ZR 277/03, BGHZ 169, 193 = NJW 2007, 684. Was die Reichweite der ererbten Nutzungsbefugnis angeht, orientiert sich diese wiederum am (mutmaßlichen) Willen des Erblassers BGH, Urt. v. 5.10.2006...

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