Rz. 352

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLGR Bremen 2007, 253 veröffentlicht ist, hielt etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 2 für nach §§ 106 Abs. 3 Alt. 3, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen, weil beide zum Unfallzeitpunkt vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet hätten. Die Ladetätigkeit sei von einem notwendigen Miteinander im Arbeitsablauf geprägt gewesen, bei dem sich beide Arbeitsbereiche zwangsläufig überschnitten hätten und beide Personen aufeinander hätten Rücksicht nehmen müssen.

 

Rz. 353

Auch Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 seien ausgeschlossen. Die Haftungsfreistellung der Insolvenzschuldnerin folge zwar nicht schon aus § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII. Doch ergebe sich der Anspruchsausschluss nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs.

 

Rz. 354

Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 2 sei zum Ersatz des dem Kläger entstandenen Personenschadens gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht verpflichtet, traf im Ergebnis zu.

 

Rz. 355

Der Kläger war im Unfallzeitpunkt Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies stand mit Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII aufgrund des Bescheids vom 13.4.2004 fest, mit dem die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt hatte. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Mit der Einordnung als Arbeitsunfall und damit als Versicherungsfall (§ 7 Abs. 1 SGB VII) in einem unanfechtbaren Bescheid der Unfallversicherungsträger ist deshalb für das Zivilverfahren auch bindend entschieden, dass der Geschädigte "Versicherter" der gesetzlichen Unfallversicherung war (vgl. Senatsurt. BGHZ 129, 195, 198; 166, 42, 44; v. 20.12.2005 – VI ZR 225/04, VersR 2006, 416, 418; v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06, VersR 2007, 1131, 1132 und v. 22.4.2008 – VI ZR 202/07). Die Anerkennung als Arbeitsunfall im Bescheid vom 13.4.2004 wurde unabhängig von der Notwendigkeit, die Beklagten nach § 12 Abs. 2 SGB X zu dem Verfahren hinzuzuziehen (vgl. Senatsurt. v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06, VersR 2008, 255, 256), auch diesen gegenüber unanfechtbar, da sie in ihrer Rechtsstellung dadurch nicht nachteilig betroffen wurden (vgl. OLG Hamm VersR 2000, 602; OLG Zweibrücken SP 2002, 127). Eigene Feststellungen zur Versicherteneigenschaft des Klägers im Unfallzeitpunkt hatte das Berufungsgericht folglich entgegen der Auffassung der Revision angesichts der vom Zivilgericht von Amts wegen zu beachtenden (vgl. Senatsurt. v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06 a.a.O. und v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06 a.a.O.) Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII nicht zu treffen.

 

Rz. 356

Vom Zivilgericht zu prüfen sind im Streitfall dagegen die Voraussetzungen für eine Haftungsfreistellung des Beklagten zu 2 (§§ 106 Abs. 3 Alt. 3, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Dafür ist ausschlaggebend, ob sich der zum Unfallzeitpunkt in der gesetzlichen Unfallversicherung gesetzlich oder freiwillig versicherte Unternehmer (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 und 9, § 3 und § 6 SGB VII) als Geschädigter diese Haftungsfreistellung entgegenhalten lassen muss, wenn er von einem Versicherten eines anderen Unternehmers geschädigt wird, während beide vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Dies ist der Fall.

 

Rz. 357

Nach gefestigter Senatsrechtsprechung kommt die Haftungsfreistellung nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII auch dem versicherten Unternehmer zugute, der selbst auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt (vgl. Senatsurt. BGHZ 148, 209, 212 f.; 148, 214, 216 ff.; 155, 205, 209; 157, 9, 14; 157, 213, 216; v. 25.6.2002 – VI ZR 279/01, VersR 2002, 1107; v. 29.10.2002 – VI ZR 283/01, VersR 2003, 70 f.; v. 14.9.2004 – VI ZR 32/04, VersR 2004, 1604, 1605; v. 14.6.2005 – VI ZR 25/04, VersR 2005, 1397, 1398 und v. 13.3.2007 – VI ZR 178/05, VersR 2007, 948, 949; vgl. auch BGH, BGHZ 151, 198, 201; Meike Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht, 2004, S. 141 ff.). Umgekehrt muss sich der versicherte Unternehmer, befindet er sich in einer solchen Situation in der Geschädigtenrolle – wird er also durch den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt – die sich aus § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII für den Schädiger ergebende Haftungsfreistellung entgegenhalten lassen (OLG Karlsruhe VersR 2003, 506, 507; vgl. auch Senatsurt. BGHZ 155, 205, 211 f. und 157, 213, 216; Henssler/Willemsen/Kalb-Giesen, a.a.O., § 106 SGB VII Rn 8; Hauck/Nehls, SGB VII, Stand: 34. Erg.-Lfg. 2008, § 106 SGB VII Rn 15; Meike Lepa, a.a.O., S. 142, 152; Schmidt, BB 2002, 1859, 1861; Waltermann, NJW 2004, 901, 905). Beides folgt aus dem Gesichtspunkt der Gefahr...

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