Rz. 164

Die Revision hatte keinen Erfolg.

 

Rz. 165

Ohne Rechtsfehler hatte das Berufungsgericht einen gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangenen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB verneint. Dem Beklagten kam das Haftungsprivileg gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 106 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII zugute.

 

Rz. 166

Das Berufungsgericht führte insoweit aus, der Beklagte habe den Versicherungsfall nicht vorsätzlich und auch nicht auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt. Vorsätzliches Handeln liege nicht vor, weil nichts dafür spreche, dass der Beklagte den möglichen Eintritt ernsthafter Verletzungsfolgen durch den Schneeballwurf erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen habe. Gegen die Verneinung des Vorsatzes wandte sich die Revision nicht und insoweit war auch der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zutreffend (vgl. Senatsurt. BGHZ 154, 11 ff.; ebenso BAGE 103, 92 ff.).

 

Rz. 167

Allerdings kam es auf die Frage, ob der Beklagte vorsätzlich oder auf einem versicherten Weg gehandelt hat, nicht an. Denn die Klägerin machte einen auf sie nach § 116 SGB X übergegangenen Anspruch geltend. Nach §§ 104 Abs. 1 S. 2, 105 Abs. 1 S. 3 SGB VII findet aber ein Forderungsübergang gemäß § 116 SGB X von Ansprüchen wegen vorsätzlicher Schädigung oder wegen eines Schadensfalles auf einem versicherten Weg i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII nicht statt; vielmehr verbleiben diese Ansprüche gegen den schädigenden Unternehmer bzw. Mitbeschäftigten, die von der Haftungsbeschränkung nicht erfasst werden, beim Geschädigten (vgl. Senatsurt. v. 25.10.2005 – VI ZR 334/04, VersR 2006, 221 m.w.N.).

 

Rz. 168

Danach kam ein auf die Klägerin übergegangener Anspruch nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGB VII zu verneinen waren, weil der Beklagte den Versicherungsfall des W. nicht durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht hat. Im Bereich der Schulunfälle ist für das Merkmal der betrieblichen Tätigkeit danach zu fragen, ob das Handeln des Schädigers schulbezogen war. Die Revision meinte, das zur Verletzung des W. führende Handeln des Beklagten sei nicht schulbezogen gewesen. Dem konnte nicht gefolgt werden.

 

Rz. 169

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist bei der Verletzung eines Schülers durch einen Mitschüler für die Befreiung von der Haftung darauf abzustellen, ob die Verletzungshandlung schulbezogen war. Maßgeblich ist, ob sie auf der typischen Gefährdung aus engem schulischen Kontakt beruht und deshalb einen inneren Bezug zum Besuch der Schule aufweist oder ob sie nur bei Gelegenheit des Schulbesuchs erfolgt ist. Schulbezogen im Sinne dieser Rechtsprechung sind insbesondere Verletzungshandlungen, die aus Spielereien, Neckereien und Raufereien unter den Schülern hervorgegangen sind, ebenso Verletzungen, die in Neugier, Sensationslust und dem Wunsch, den Schulkameraden zu imponieren, ihre Erklärung finden; dasselbe gilt für Verletzungshandlungen, die auf übermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen in einer Phase der allgemeinen Lockerung der Disziplin – insbesondere in den Pausen oder auf Klassenfahrten oder nach Beendigung des Unterrichts oder während der Abwesenheit der Aufsichtspersonen – beruhen. Da der Haftungsausschluss bei Schulunfällen den Schulfrieden und das ungestörte Zusammenleben von Lehrern und Schülern in der Schule gewährleisten soll, darf das Haftungsprivileg nicht eng ausgelegt werden. Die innere schulische Verbundenheit von Schädiger und Verletztem, die in dem Unfall zum Ausdruck kommen muss, erfordert allerdings stets, dass die konkrete Verletzungshandlung durch die Besonderheiten des Schulbetriebs geprägt wird, was in der Regel eine engere räumliche und zeitliche Nähe zu dem organisierten Betrieb der Schule voraussetzt (vgl. Senatsurt. v. 30.3.2004 – VI ZR 163/03, VersR 2004, 789 f. m.w.N.).

 

Rz. 170

Diese Grundsätze, die durch die Rechtsprechung zu § 637 Abs. 1 RVO entwickelt worden sind (grundlegend Senatsurt. BGHZ 67, 279, 281 ff.), gelten in gleicher Weise nach der Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch, da sich insoweit keine inhaltlichen Änderungen ergeben haben, die zu einer Neubewertung führen (Senatsurt. v. 30.3.2004 – VI ZR 163/03, a.a.O.).

 

Rz. 171

Die Revision stellte zur Überprüfung, ob der erkennende Senat seine zu den §§ 636, 637 RVO ergangene Rechtsprechung zur Schulbezogenheit auch im Rahmen der §§ 104, 105 SGB VII für außerhalb der Schule stattfindende Versicherungsfälle aufrecht halte. Sie meinte, der Begriff der Schulbezogenheit müsse sich am Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Sinne von § 105 SGB VII orientieren und dürfe daher keine Handlung umfassen, die außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule – nach dem Verlassen des Schulgeländes – geschehe. Beim Zurücklegen des Weges von und zu einer Arbeitsstelle handele es sich grundsätzlich um eine so genannte eigenwirtschaftliche Tätigkeit auf einem n...

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