Rz. 203

Der Sozialplan nach § 112 BetrVG ist eine Betriebsvereinbarung des Arbeitgebers und des Betriebsrats über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen. Sie wird nach den Regeln der §§ 145 ff. BGB abgeschlossen[184] oder beruht – ersatzweise – auf einem Beschluss der Einigungsstelle.

 

Rz. 204

 

Hinweis

Die Vereinbarung eines "Sozialplans" in einem betriebsratlosen Betrieb zwischen dem Insolvenzverwalter und "den Arbeitnehmern" ist nach der Rechtsprechung des BAG nicht wirksam.[185]

 

Rz. 205

Der Sozialplan bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform gem. § 125 BGB. Für den Betriebsrat muss der/die Betriebsratsvorsitzende unterschreiben, bei dessen/deren Abwesenheit sein/ihr Stellvertreter. Die Wirksamkeit der Unterschrift ist wiederum von der Beschlussfassung des Betriebsrates gem. § 33 BetrVG abhängig. Beruht der Sozialplan auf einem Spruch der Einigungsstelle, so ist dieser von dem Vorsitzenden der Einigungsstelle zu unterzeichnen.

 

Rz. 206

Bei Betriebsänderungen obliegt die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte ausnahmsweise dem Gesamtbetriebsrat, sofern es sich um Maßnahmen handelt, die das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und notwendigerweise nur einheitlich oder jedenfalls betriebsübergreifend geregelt werden können.

 

Rz. 207

Nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats von zwei Voraussetzungen abhängig:

Zum einen muss die Angelegenheit entweder das Gesamtunternehmen oder zumindest mehrere Betriebe des Unternehmens betreffen.
Zum anderen darf die Angelegenheit nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.
 

Rz. 208

 

Hinweis

Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.[186] Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, sind die örtlichen Betriebsräte zuständig.

 

Rz. 209

Eine überbetriebliche Angelegenheit liegt schon dann vor, wenn mehrere Betriebe betroffen sind. Nicht erforderlich ist, dass es sich um sämtliche Betriebe des Unternehmens handelt. Der Begriff des "Nichtregelnkönnens" setzt nicht notwendig die objektive Unmöglichkeit einer betrieblichen Regelung voraus. Ausreichend, aber regelmäßig auch zu verlangen ist vielmehr, dass ein sachlich zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht.[187]

 

Rz. 210

Dabei folgt nach der Rechtsprechung des BAG – wie auch nach der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung[188] – aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für einen Interessenausgleich nicht ohne Weiteres seine Zuständigkeit auch für den Abschluss eines Sozialplans. Vielmehr ist hierfür Voraussetzung, dass die Regelung des Ausgleichs oder der Abmilderung der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile zwingend unternehmenseinheitlich oder betriebsübergreifend erfolgen muss.[189]

 

Rz. 211

Hat eine Betriebsänderung nachteilige Auswirkungen für die Arbeitnehmer, kann der Betriebsrat einen Sozialplan auch gegen den Willen des Unternehmers erzwingen. Sperrt sich der Unternehmer gegen einen erforderlichen Sozialplan, kann der Betriebsrat diesen durch den bindenden Spruch der Einigungsstelle durchsetzen.

 

Rz. 212

 

Hinweis

Bei einem Streit um einen möglichen Betriebsübergang gem. § 613a BGB kann für vorsorglich betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer auch unter Vorbehalt ein Sozialplan abgeschlossen werden.[190]

 

Rz. 213

 

Hinweis

Der bloße Inhaberwechsel oder die allein mit einem Inhaberwechsel verbundenen Nachteile sind aber nicht sozialplanpflichtig.[191]

 

Rz. 214

Der Abschluss eines Sozialplans macht den Versuch eines Interessenausgleichs (siehe Rdn 79 ff.) nicht entbehrlich. Während ein Sozialplan auch für Maßnahmen aufgestellt werden kann, die noch nicht geplant, aber in groben Umrissen absehbar sind, gelten für den Interessenausgleich strengere Anforderungen. Hier ist Voraussetzung, dass über konkret geplante Maßnahmen mit dem Betriebsrat verhandelt und schon eine Einigung über das Ob und Wie angestrebt werden kann. Dies schließt vorweggenommene Regelungen für künftige, in ihren Einzelheiten noch nicht absehbare Maßnahmen aus. In einer solchen Regelung läge in Wirklichkeit ein Verzicht des Betriebsrats auf die Mitgestaltung der künftigen Betriebsänderung.[192]

[184] Auch als Verhandlungsergebnis stellt ein Interessenausgleich oder ein Sozialplan nach der Auffassung des BAG keinen Vergleich i.S.v. § 779 BGB und damit i.S.v. § 23 BRAGO a.F. dar: BAG v. 13.5.1998 – 7 ABR 65/96, dazu EWiR 1998, 1061 (Willemsen).
[187] Vgl. etwa BAG v. 11.12.2001 – 1 AZR 193/01, BAGE 100, 60; BAG v. 15.1.2002 – 1 ABR 10/01, BAGE 100, 157; BAG v. 23.10.2002 – 7 ABR 55/01, AP Nr. 26 zu § 50 BetrVG 1972 = EzA § 50 BetrVG 2001 Nr. 1 m.w.N.
[188] DKK/Trittin, § 50 Rn 59b; ErfK/Eisemann, § 50 ...

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