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Nach § 102 Abs. 6 BetrVG können Arbeitgeber und BR freiwillige Betriebsvereinbarungen[1951] zur Erweiterung der Mitbestimmung bei Kündigungen abschließen. Darin kann vereinbart werden, dass die Zustimmung des BR für sämtliche Kündigungen erforderlich ist. Im Zweifel gilt eine solche Vereinbarung dann auch für außerordentliche Kündigungen.[1952] Möglich ist auch die Beschränkung auf bestimmte Kündigungsarten, etwa für betriebsbedingte oder außerordentliche Kündigungen. Nicht zulässig ist hingegen die Einführung eines Zustimmungserfordernisses für Kündigungen seitens der Arbeitnehmer.[1953] Ein Zustimmungsverfahren im Rahmen einer solchen Betriebsvereinbarung ersetzt zugleich das Anhörungsverfahren nach Abs. 1. Bei Vereinbarung eines Einigungsstellenverfahrens für den Fall der Nichterteilung der Zustimmung kann der Arbeitgeber zudem seine Mitteilungen zu den Kündigungsgründen auch noch in diesem Verfahren vervollständigen.[1954] Damit kann er nach mitgeteilter Zustimmungsverweigerung noch neue Gründe nachschieben, auf die er sich folglich auch im Kündigungsschutzprozess noch berufen kann. Durch eine solche freiwillige Betriebsvereinbarung entfällt das Widerspruchsrecht des BR nach § 102 Abs. 3 BetrVG und daran anknüpfend folglich auch der Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach Abs. 5.[1955] Wird in der Betriebsvereinbarung jedoch nicht die Zuständigkeit der Einigungsstelle vereinbart, bleibt das Arbeitsgericht für die Zustimmungsersetzung zuständig.[1956] Die Einzelheiten der Dauer der Anhörung und die Frage, ob und ab wann Schweigen des BR als Zustimmung gewertet werden kann, können in der Betriebsvereinbarung vereinbart werden. Dabei ist für die außerordentliche Kündigung die Ausschlussfrist zu beachten. Die Entscheidung der Einigungsstelle ist als Rechtsentscheidung durch das Arbeitsgericht überprüfbar.[1957] § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG ist nicht anwendbar.[1958] Eine solche Regelung kann auch in einem Tarifvertrag getroffen werden.[1959]

[1951] BAG 14.2.1978 – 1 AZR 154/76, AP Nr. 60 zu Art 9 GG Arbeitskampf.
[1952] LAG Düsseldorf 25.8.1995 – 17 Sa 324/95, AuR 1996, 238; a.A. Matthes, FA 2004, 354: nur für ordentliche Kündigungen.
[1953] KR/Rinck, § 102 BetrVG Rn 327; Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rn 295.
[1955] BeckOK/Mauer, § 102 BetrVG Rn 33; Fitting u.a., § 102 BetrVG Rn 125.

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