Rz. 986

Nach der Legaldefinition des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist der Sozialplan die Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Liegt eine Betriebsänderung vor, ist die Aufstellung eines Sozialplans grds. erforderlich. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber unter Inkaufnahme von Nachteilsausgleichsansprüchen das Interessenausgleichsverfahren nicht durchgeführt hat. Der Arbeitgeber kann sich also nicht durch eine zügige Umsetzung der geplanten Betriebsänderung der Sozialplanpflicht und dem Verfahren zur Aufstellung eines Sozialplans entziehen.[2260] Bestehen wiederum Unsicherheiten darüber, ob eine Betriebsänderung vorliegt, können Arbeitgeber und Betriebsrat zwar einen Sozialplan für den Fall vereinbaren, dass es sich bei den Maßnahmen um eine Betriebsänderung handelt. Die Aufstellung ist dann allerdings freiwillig und fällt nicht unter §§ 111 ff. BetrVG.[2261] Endet das Amt des Betriebsrats, bspw. im Zuge einer Betriebsschließung oder Betriebsspaltung, hat der Betriebsrat für die Sozialplanverhandlungen ggf. ein Restmandat.[2262]

[2260] Die Zahlung einer Abfindung wegen eines vom Arbeitnehmer erstrittenen Nachteilsausgleichs hat allerdings Erfüllungswirkung für den Anspruch auf Abfindung nach einem Sozialplan. Die Anrechenbarkeit verbietet sich auch nicht im Hinblick auf die Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG, vgl. BAG 12.2.2019 – 1 AZR 279/17, NZA 2019, 719.
[2262] Vgl. zu den Einzelheiten Fitting u.a., § 21b BetrVG Rn 17 ff.; Richardi/Thüsing, § 21b BetrVG Rn 3 ff.

a) Erzwingbarkeit des Sozialplans

 

Rz. 987

Die Aufstellung eines Sozialplans ist erzwingbar, soweit nicht die Ausnahmetatbestände des § 112a BetrVG greifen. Einschränkungen hinsichtlich der Erzwingbarkeit bestehen gem. § 112a BetrVG, wenn eine geplante Betriebsänderung in einem bloßen Personalabbau besteht, sowie im Falle von Neugründungen von Unternehmen. Beim bloßen Personalabbau ist der Sozialplan nur erzwingbar, wenn die Schwellenwerte des § 112a Abs. 1 BetrVG erreicht sind.[2263] Neugegründete Unternehmen werden in den ersten vier Jahren vor einer Sozialplanpflicht geschützt, wobei die Ausnahme von der Sozialplanpflicht gem. § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG nicht im Falle von Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen greift.

 

Rz. 988

 

Praxishinweis

Die Pflicht zur Verhandlung eines Interessenausgleichs bleibt durch § 112a BetrVG unberührt.

 

Rz. 989

Kommt in den Fällen des erzwingbaren Sozialplans eine Einigung zwischen den Betriebspartnern nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich. Mit der Umsetzung der Betriebsänderung muss der Arbeitgeber aber nicht bis zum Abschluss eines Sozialplans abwarten. Vielmehr kann er damit beginnen, wenn entweder ein Interessenausgleich zustande gekommen ist oder die Interessenausgleichsverhandlungen endgültig gescheitert sind.

[2263] Nach Ansicht des LAG Köln soll es für die Frage, ob in einem Betrieb genügend Arbeitnehmer beschäftigt sind, um die Sozialplanpflichtigkeit einer Betriebsänderung zu begründen, auf den Zeitpunkt der Entschlussfassung des Arbeitgebers hinsichtlich der Betriebsänderung ankommen, LAG Köln 5.6.2014 – 7 TaBV 27/14, AuR 2015, 32; zur Frage der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern für die Schwellenwerte des § 112a BetrVG im Entleiherbetrieb vgl. § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG sowie Richardi/Annuß, § 112a BetrVG Rn 10.

b) Zuständiges Betriebsratsgremium

 

Rz. 990

Vor Aufnahme der Sozialplanverhandlungen ist zu klären, welche Arbeitnehmervertretung für die Verhandlungen zuständig ist.[2264] Aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Interessenausgleichsverhandlungen folgt nicht ohne weiteres auch dessen Zuständigkeit für den Abschluss des Sozialplans.[2265] Vielmehr ist gesondert zu prüfen, ob der Ausgleich oder die Milderung der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile zwingend unternehmenseinheitlich oder betriebsübergreifend geregelt werden muss. Der Umstand, dass die Mittel für den Sozialplan von ein und demselben Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden müssen, genügt alleine nicht, um die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Sozialplanabschluss zu begründen. Etwas anderes gilt, wenn ein mit dem Arbeitgeber im Rahmen eines Interessenausgleichs vereinbartes, das gesamte Unternehmen betreffendes Sanierungskonzept nur auf der Grundlage eines bestimmten, auf das gesamte Unternehmen bezogenen Sozialplanvolumens realisiert werden kann.[2266]

[2264] Ein Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung an den Verhandlungen besteht nicht, Ludwig/Kemna, NZA 2019, 1547.
[2265] St. Rspr. des BAG, z.B. BAG 11.12.2001 – 1 AZR 193/01, NZA 2002, 688; BAG 23.10.2002 – 7 ABR 55/01, AP Nr. 26 zu § 50 BetrVG 1972; zu den Verfahrensbeteiligten bei Streit über die Sozialplanzuständigkeit in einem Konzern vgl. LAG Düsseldorf 12.2.2014 – 12 TaBV 36/13, BeckRS 2014, 72366.
[2266] BAG 3.5.2006 – 1 ABR 15/05, NZA 2007, 1245; zur fehlenden Zuständig...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge