Rz. 634

Das Medizinrecht weist sowohl im materiell als auch im prozessualen Recht Besonderheiten auf und birgt damit Haftungsrisiken. Vor allem das Arzthaftungsrecht stellt eine anspruchsvolle Materie dar, sowohl für den Anwalt des Arztes als auch für den Patientenanwalt.

 

Rz. 635

Im Bereich der prozessrechtlichen Bezüge der Arzthaftung haben die Komplexe "Tatsachenermittlung" und "Substantiierungslast" eine besondere Bedeutung erlangt. Der BGH hat mit Beschl. v. 1.3.2016[504] seine Linie bestätigt, wonach an die Informations- und Substantiierungspflichten der Parteien, insbesondere der Patientenseite, im Arzthaftungsprozess nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen. Insbesondere sind weder Patient noch sein Prozessbevollmächtigter verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Allerdings genügt es nicht, wenn lediglich in formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, ohne diese zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen.[505]

 

Rz. 636

Als Alternative zum Klageverfahren ist gerade im Medizinrecht auch an die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO zu denken (vgl. Rdn 469 ff.). Viele Rechtsanwälte auf Patientenseite bevorzugen dieses gegenüber dem Verfahren vor der Gutachterkommission/Schlichtungsstelle, denn dort können sie dem Gericht einen Gutachter ihrer Wahl vorschlagen. Oftmals bestehen Bedenken gegen die Objektivität des Verfahrens vor der Ärztekammer. Nachteilig am selbstständigen Beweisverfahren ist jedoch, dass gem. § 485 Abs. 2 ZPO die Partei nur die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen kann, nicht jedoch dessen persönliche Vernehmung oder die Vernehmung eines Zeugen in Anwesenheit des Sachverständigen. Dies sieht die ZPO nicht vor.

 

Rz. 637

Die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen nach § 839a BGB soll Anreize in Richtung auf die Erstellung korrekter Gutachten setzen. Allerdings entfällt die Haftung, wenn der Rechtsstreit nicht durch eine gerichtliche Entscheidung, sondern durch einen Vergleich beendet wurde. Sehr weit geht es, als Rechtsmittel i.S.v. § 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB grds. auch die Einholung eines privaten Gutachtens anzusehen.

[505] Vgl. hierzu: Spickhoff, NJW 2017, 1790, 1796.

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